Wir haben die Kontrolle über Updates verloren

Avatar von Marcus Schwarze

Updates hat aktuell keiner mehr im Griff. Selbst wenn er es wollte. Wir haben die Kontrolle über Updates verloren.


Der Newsletter für Erkenntnis und Interesse: Über die Folgen der Digitalisierung.

Der News­let­ter für Erkennt­nis und Inter­es­se: Über die Fol­gen der Digitalisierung.

Unser Brenn­wert­kes­sel wird in ein paar Tagen 15 Jah­re alt. Er hat seit­dem noch nicht ein ein­zi­ges Soft­ware-Update erlebt. 131.037 Betriebs­stun­den nennt das Display.

Hun­dert­einund­rei­ßig­tau­send­und­sie­benund­rei­ßig Stun­den. Seit 14,95 Jah­ren läuft der Bur­sche zuverlässig.

Als ein­zi­ges Pro­blem ver­merkt der genüg­sa­me Rech­ner in sei­ner Stö­rungs­his­to­rie den wie­der­keh­ren­den Feh­ler „D3“. Seit 15 Jah­ren. Wir duschen­den Brenn­wert­kes­sel­ken­ner in unse­rem Haus­halt erle­ben „D3“ immer dann, wenn jemand die Dach­fens­ter im Flur auf offen gestellt und so belas­sen hat. Das Was­ser bleibt dann kalt.

Der Schorn­stein­fe­ger hat sei­ner­zeit für die­sen Fall eine Abschalt­au­to­ma­tik für hei­ßes Was­ser ver­fügt, wegen der Gefah­ren schad­stoff­be­las­te­ter Durch­lüf­tung. Gleich­wohl hat er zuletzt schon mal ein Update ange­bo­ten, um die Abschalt­au­to­ma­tik abzu­schal­ten, „da pas­siert eh nichts“. Doch dabei schwan­gen die Kos­ten einer ver­mei­dens­wer­ten, kos­ten­be­wehr­ten Hand­wer­ker­stun­de mit. Wozu also das Update? Zumal, wenn es lebens­ge­fähr­lich sein könnte?

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Die Abschalt­au­to­ma­tik für unse­ren Die­sel der Mar­ke Volks­wa­gen hat nur sechs­ein­halb Jah­re gehal­ten. Die Motor­steue­rung schal­te­te immer dann die Abgas­rei­ni­gung ab, wenn sich der Wagen im Prüf­stand­mo­dus wähn­te. Letz­te Woche ver­füg­te das hie­si­ge Ord­nungs­amt: Die Abschalt­au­to­ma­tik muss bin­nen drei Tagen weg. So sind sie in Koblenz. Ein Soft­ware-Update muss­te her. So bekam der Sha­ran nach fast sie­ben Jah­ren sei­ne ers­te Ver­jün­gung. Unge­up­datet blie­ben dage­gen der Kar­ten­stand des Navi­ga­ti­ons­sys­tems. So etwas kos­tet. Und das Auto­ra­dio wer­kelt auch wei­ter­hin im Modus von 2011. Ein aktu­el­ler 1200-Euro-Spe­zi­al­com­pu­ter namens iPho­ne kann auch wei­ter­hin nicht den Bild­schirm und die Tas­ten im Auto auf moder­ne Wei­se nut­zen, wie es Apple jedem Auto­her­stel­ler anbietet.

Der Motor im Wagen fährt nun dau­er­haft im Prüf­stand­mo­dus, dem offen­bar moderns­ten Zustand. Und Volks­wa­gen hat neben einem Kaf­fee wäh­rend der ein­stün­di­gen Update-Pro­ze­dur zwölf Gut­schei­ne für künf­ti­ge AdBlue-Nach­fül­lun­gen spen­diert. Bis­her muss­te man die­sen Stoff, der die Abga­se rei­nigt, alle etwa 15.000 bis 30.000 Kilo­me­ter selbst nach­fül­len. Künf­tig wird das wohl häu­fi­ger nötig, man mun­kelt von nur noch 5000 bis 10.000 Kilo­me­tern Reich­wei­te. Ob der Wagen nun so wenig Stick­stoff­di­oxid pro­du­ziert wie ein Rad­fah­rer, weiß ich nicht. Die Umwelt­pla­ket­te hat jeden­falls kein Update bekom­men, sie bleibt wei­ter­hin auf „4“. Ein Die­sel-Fahr­ver­bot droht somit unver­än­dert. War­um also das Update?

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Ein Jahr lang hat ein klei­ner pi-Com­pu­ter in unse­rem Haus­halt kein Update bekom­men. Die Bas­te­lei ist eine Smar­thome-Lösung auf Basis des frei­en Pro­jek­tes fhem. Das Pro­jekt ist klas­se, der Ein­stieg schlimm bis unmög­lich. Aber die Logik in fhem besticht. Ein­mal rich­tig auf­ge­setzt, steu­ert der damit bestück­te Mini­rech­ner Strom­steck­do­sen und – am Brenn­wert­kes­sel vor­bei – per Funk die Hei­zungs­ther­mo­sta­te in eini­gen Zim­mern. Steht da etwa ein Fens­ter in einem Zim­mer län­ger offen, greift eine Abschalt­au­to­ma­tik und regelt den nahe­ge­le­ge­nen Ther­mo­stat her­un­ter. Täg­lich um Punkt 12 Uhr schal­tet der Pi einen Kaf­fee­au­to­ma­ten in der Küche ein und um 17 Uhr wie­der aus. Einen Laut­spre­cher, den wir als „Sound­schub­se“ im Sys­tem hin­ter­legt hat­ten, konn­ten wir bis vor Kur­zem eben­falls per App steu­ern. Bis vor Kurzem.

Weil auf dem USB-Stick kein Spei­cher mehr vor­han­den war, die Log­da­tei­en unge­löscht blie­ben, war das Sys­tem irgend­wann gra­vie­rend gestört. Der Feh­ler in einer Bas­tel­lö­sung. Neu­starts nutz­ten nichts, es blieb nur, sich per ssh auf dem Pi ein­zu­log­gen, die Logs von Hand zu löschen, per Befehl „sudo apt-get update“ und „sudo apt-get upgrade“ alle Soft­ware-Bestand­tei­le auf den neu­es­ten Stand zu heben. Erklä­re das mal im Familienkreis.

Jetzt gibt aller­dings die Sound­schu­be kei­nen Mucks mehr. Auf der Kin­der-Eta­ge wird schlech­tes WLAN beklagt, ers­te Ana­ly­sen bestä­ti­gen den Befund. Von AVM gäbe es ein Update für die Fritz­box und die WLAN-Repea­ter, aber ach: Das gibt’s nur für die Repea­ter, nicht für die Box. Der Pro­vi­der Voda­fone gibt das Update noch nicht wei­ter. Es wird kompliziert.

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Mein Gedan­ke: Wir leben in der Update-Gesell­schaft. Wor­an es fehlt, sind Update-Mana­ger. Ich bin so einer. Aber wo lernt man das eigent­lich? Und war­um hal­ten Brenn­wert­kes­sel 15 Jah­re ohne Update?

Updates hat aktu­ell kei­ner mehr im Griff. Selbst wenn man woll­te, das Zusam­men­spiel aller Kom­po­nen­ten wird ohne neue grund­le­gen­de Mecha­nis­men zu kom­pli­ziert. Dar­an müs­sen wir arbeiten.