Warum die CeBIT tot ist

Avatar von Marcus Schwarze

Am Dienstag ist es 33 Jahre her, dass die erste eigenständige CeBIT in Hannover ihre Tore öffnete. Sie hat bis zu ihrem Ende 2018 vieles geschafft, nur offenbar eines nicht: die Unternehmen nachhaltig auf die Digitalisierung vorzubereiten. Ein Erlebnis an der Supermarktkasse in Lahnstein.


Mein Lebens­mit­tel­markt hat mich digi­ta­li­siert. Ich scan­ne selbst. Neh­me also die Laser­pis­to­le in die Hand und schie­ße damit direkt am Wurst­re­gal auf die Pom­mer­sche Leber­wurst. Das spart spä­ter an der Kas­se den Scan der Wurst durch die Kas­sie­re­rin. Dach­te man. Dann mach­te es Glo­bus unnö­tig kompliziert.

So gibt’s dank Son­der­ra­batt­ak­ti­on dies­mal beim Glo­bus-Super­markt in Lahn­stein in Rheinland-Pfalz:

  • 25 Pro­zent auf Sachen aus dem zwei­ten Stock,
  • 20 Pro­zent auf Haushaltswaren,
  • 15 Pro­zent auf Rasurprodukte.

Ich kau­fe den­noch spar­sam. Denn die Laser­pis­to­le weiß zwar mei­nen Namen und was ich kau­fe, aber nicht den Rabatt: Abge­rech­net wird zum Schluss, mein Lie­ber. An der Kas­se. So habe ich zwar stän­dig eine genaue Sum­me der Aus­ga­ben auf dem Dis­play, aber irgend­was wird spä­ter abge­zo­gen. Also lie­ber vor­sich­tig shop­pen. Welch ver­wir­ren­de, ver­meint­li­che, kauf­hem­men­de Transparenz.

Gel­ber Alarm

Der Auto­mat an der Kas­se schlägt an: Gel­ber Alarm! Zum Glück geht kei­ne Star-Trek-Sire­ne. Die Maschi­ne, die­ser miss­traui­sche Tropf, meint, mein Ein­kauf müs­se über­prüft werden.

Die Mit­ar­bei­te­rin über­prüft den Ein­kauf. Scannt fünf Lebens­mit­tel. Alles okay. Ich will nicht wis­sen, wie­viel Fehl­bu­chun­gen der Laden wegen der Scans einer Ein­zel­fla­sche hohes‑C an der Sei­te statt an dem plas­tik­ver­schweiß­ten Sech­ser­ge­bin­de oben erleidet.

Die Mit­ar­bei­te­rin legt mir einen Gewinn­spiel­cou­pon in den Ein­kaufs­wa­gen. Ich bedan­ke mich und bezah­le. Der Bon kommt aus dem Auto­ma­ten. Bei den Rabat­ten habe ich einen klei­nen Jack­pot gewon­nen. Am Bon hängt noch mehr: Ich gewin­ne zusätz­lich zum Gewinn­spiel­cou­pon von der Kas­sie­re­rin einen Gut­schein für eine Über­ra­schung. Also auf zum nächs­ten Auto­ma­ten. Dort, neben der Klei­der­bou­tique („20 Pro­zent Rabatt!“), tau­sche ich die­sen Gut­schein gegen mei­nen Gewinn: einen Zeh­ner­rie­gel Him­beer­ex­trakt. Gro­ße, naja, Freude.

Den Gewinn­spiel­cou­pon geöff­net. Es gibt noch mehr: Sie gewin­nen 5 Euro und kön­nen zusätz­lich am Online-Gewinn­spiel teil­neh­men, gehen Sie zur Information!

Ich gehe direkt auf Los, zur Infor­ma­ti­on. Dort ist viel Los. Die Schlan­ge dau­ert zehn Minu­ten. Die Dame sagt „Sie sind mein ers­ter, wie schön!“ Sie möch­te den Namen ihres ers­ten, ich gebe ihr zur Beschleu­ni­gung des Sach­ver­halts mei­ne Visi­ten­kar­te. Sie ver­schwin­det mit­samt Gewinn­spiel­cou­pon, Visi­ten­kar­te und Zugang zum Online-Gewinnspiel.

Hat lei­der län­ger gedauert

Nach zehn Minu­ten kommt sie wie­der, hat lei­der län­ger gedau­ert, weil: Kei­ner wuss­te, wie die fünf Euro zu ver­bu­chen sind. Sie gibt mir als Ersatz für den gedruck­ten Fünf-Euro-Gut­schein einen von Hand aus­ge­füll­ten Fünf-Euro-Gut­schein; per­so­na­li­siert durch einen wei­te­ren Code; ein­zu­lö­sen beim nächs­ten Kauf; ein­zu­scan­nen von der Kas­sie­re­rin oder von mir; und den Zugang zum Online-Gewinnspiel.

Ich habe einen Lauf.

Zurück im Auto, tip­pe ich den Code ins Han­dy. Lei­der ver­lo­ren. Aus Spaß mache ich im Code aus der 1 eine 2. Sie haben gewon­nen! Einen Heiz­lüf­ter! Tip­pen Sie hier Ihre Daten ein!

Ich tip­pe alles ein. Auf der Web­sei­te, die alles von mir längst ken­nen könn­te. Name. Adres­se. Tele­fon­num­mer, E‑Mail-Adres­se. Das Geburts­da­tum fehlt. Nach­ge­tra­gen. Die E‑Mail kommt prompt: Sie haben einen Heiz­lüf­ter gewon­nen! Dru­cken Sie die­se E‑Mail aus, brin­gen sie sie. Beim nächs­ten Ein­kauf mit­samt dem Online­code in unse­ren Markt: in Erfurt-Linderbach.

Kei­ne 323 Kilo­me­ter ent­fernt. Dort, wo jemand dem­nächst einen Heiz­lüf­ter gewinnt und kei­ne Gewinn-E-Mail aus­dru­cken kann, weil die ja schon nach Lahn­stein ging.

Ich kann mir nicht vor­stel­len, dass ein Ein­zel­händ­ler bei sol­chen Spiel­chen noch lan­ge überlebt.

P.S.: Die CeBIT 2018 war die letz­te in Deutsch­land. Sie woll­te den Unter­neh­men Ant­wor­ten auf All­tags­fra­gen der Digi­ta­li­sie­rung geben. Kun­den­bin­dung, Per­so­na­li­sie­rung, vir­tu­el­le Freund­schaft, ver­ein­fach­te Abläu­fe. Ich bin gespannt auf den ers­ten Super­markt von Ama­zon, wenn er denn mal nach Deutsch­land kommt.