Renaissance alter Bilder: Was KI kann und nicht darf

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Generative künstliche Intelligenz hat sowohl Stärken als auch Schwächen, wenn es darum geht, Dinge zu erfinden. Besonders beeindruckend sind ihre Fähigkeiten beim Erzeugen und Bearbeiten von Bildern.

Kürz­lich frag­te ein Kol­le­ge wäh­rend eines Work­shops, ob man das künst­lich erzeug­te Bild von Ex-Kanz­le­rin Mer­kel im Renais­sance-Stil dru­cken kön­ne. Ich hat­te es mit Hil­fe der Bil­der-KI Mid­jour­ney gene­riert, aber die Auf­lö­sung betrug nur 1024 × 1024 Pixel bei 72 ppi (Pixel pro Inch). Das reicht nicht für den Druck aus, es sei denn, man möch­te es in Brief­mar­ken­grö­ße aus­dru­cken. Bei einer grö­ße­ren Dar­stel­lung wür­de das Bild pixelig aussehen.

Es gibt eine Web­sei­te namens „There’s an AI for that“, auf der rund 6.500 künst­li­che Intel­li­gen­zen für 1.800 Auf­ga­ben auf­ge­lis­tet sind. Um eine qua­li­ta­ti­ve Aus­wahl aus der Viel­zahl der Maschi­nen zu tref­fen, emp­fiehlt es sich, nach der Kate­go­rie „Most saved“ zu sor­tie­ren. Die­se Zahl gibt an, wie vie­le Men­schen die jewei­li­ge KI abge­spei­chert haben. Für das Ska­lie­ren von Bil­dern wer­den unter ande­rem Diens­te wie „Ups­ca­yl“, „Res­to­re­Pho­tos“ oder „Image­Ups­ca­lerAI“ genannt.

Also habe ich es aus­pro­biert und bin bei Clip​drop​.co gelan­det. Dort kann man Bil­der für 9 Euro im Monat auf die dop­pel­te, vier­fa­che, acht­fa­che oder 16fache Grö­ße ska­lie­ren lassen.

Erfundene Details

Dabei wird das Bild nicht ein­fach nur ver­grö­ßert, wie es in Pho­to­shop üblich wäre. Die Maschi­ne erfin­det zusätz­li­che Details: zusätz­li­che Haut­fal­ten in pas­sen­der Umge­bung, wei­te­re Haa­re und Sträh­nen auf dem Kopf, und aus pixeli­gen Run­dun­gen wie der Iris im Auge wer­den weich­ge­zeich­ne­te Partien.

(Im News­let­ter ist beson­ders auf dem Han­dy die Dar­stel­lung unten kaum unter­scheid­bar, eine grö­ße­re Dar­stel­lung gibt es auf der Web­sei­ten­ver­si­on.)

Links das – nun ja – Ori­gi­nal, rechts die ska­lier­te Ver­si­on nach der Bear­bei­tung durch Clip­drop. (Illus­tra­tio­nen: KI-gene­rier­t/­Mid­jour­ney­/Clip­drop/­Schwar­ze)

Das funk­tio­niert auch mit ech­ten Fotos. Ein fast zehn Jah­re altes Bild auf mei­ner Face­book-Sei­te zeigt Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten bei einem Besuch bei einem Start­up in San Fran­cis­co – beengt im Raum, flei­ßig notie­rend und auch zwei­felnd, im Mit­tel­punkt ein klei­nes schil­lern­des Note­book auf dem Fuß­bo­den. Lei­der liegt das Bild nur in der damals von Face­book her­un­ter­ge­rech­ne­ten Auf­lö­sung von 2031 × 720 Pixeln vor. (In mei­ner Foto­samm­lung bei App­les Soft­ware „Fotos“ ist aus­ge­rech­net die­ses Bild mit einer Feh­ler­mel­dung versehen.)

Auch die­ses Bild ska­liert Clip­drop in guter Qua­li­tät – aus 204 Kilo­byte wer­den 4 Megabyte.

Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten 2014 bei einem Start­up in San Fran­cis­co. (Foto: Schwarze)
Die KI hat bei der Ver­grö­ße­rung pixelig dar­ge­stell­te Par­tien geglät­tet und neue Pixel hin­zu­ge­dich­tet. Foto oben (Aus­schnitt): Schwar­ze. Illus­tra­ti­on unten: KI-gene­rier­t/Clip­drop/­Schwar­ze.

(Im News­let­ter ist beson­ders auf dem Han­dy die Dar­stel­lung oben kaum unter­scheid­bar, eine grö­ße­re Dar­stel­lung gibt es auf der Web­sei­ten­ver­si­on.)

Bei genaue­rer Betrach­tung wer­den Fach­leu­te Feh­ler ent­de­cken. Ins­be­son­de­re die Augen­par­tien wir­ken an eini­gen Stel­len wie gemalt.

Dafür ermög­li­chen sol­che Diens­te nun den groß­for­ma­ti­gen Druck und eine Renais­sance eige­ner Lieblingsbilder.

Darf man das?

Die Fra­ge bleibt, ob es dem jour­na­lis­ti­schen Ethos ent­spricht, sol­che ska­lier­ten Bil­der im redak­tio­nel­len All­tag zu ver­wen­den. Tech­nisch gese­hen kann man die­se Bil­der dru­cken, aber ob man das auch darf, ist eine ande­re Frage.

Denn sol­che „Fotos“ sind nicht mehr „wahr­heits­ge­mäß“, wenn eine Maschi­ne Haut­fal­ten, Haa­re und ande­re Details hin­zu­fügt. Und auch bei erfun­de­nen Bil­dern wie der Renais­sance-Male­rei der frü­he­ren Bun­des­kanz­le­rin stellt sich die Fra­ge nach dem Respekt vor der Pri­vat­sphä­re. Ein frü­he­rer US-Prä­si­dent, der von der Maschi­ne als klei­ner Jun­ge gene­riert wird, sorgt im Netz für kur­ze Lacher – aber die Dar­stel­lung ist ver­mut­lich nicht „fair“. Ein Zusatz wie „KI-gene­rier­t/­Mid­jour­ney­/­Schwar­ze“ lässt kei­nen Zwei­fel offen.

Illus­tra­ti­on: KI-gene­rier­t/­Mid­jour­ney­/­Schwar­ze. Prompt: Trump as a child —s 750.

Neben den Per­sön­lich­keits­rech­ten der abge­bil­de­ten Per­so­nen müs­sen auch die Geschäfts­be­din­gun­gen der Maschi­nen­an­bie­ter geprüft wer­den. Mid­jour­ney erlaubt zum Bei­spiel (ein­ge­schränkt) die kom­mer­zi­el­le Nut­zung sei­nes Diens­tes, vor­aus­ge­setzt, man bezahlt dafür. Aller­dings dür­fen dann auch ande­re Nut­zer die­se Bil­der ver­wen­den, zum Bei­spiel für einen „Remix“.

Mit geschütztem Material trainiert

Hin­zu kommt, dass das Bild von Mer­kel auf Auf­nah­men basiert, die von pro­fes­sio­nel­len Foto­gra­fin­nen und Foto­gra­fen gemacht wur­den, ohne dass sie für ihre Arbeit und die Nut­zungs­rech­te an den Auf­nah­men ent­lohnt wur­den. In den USA läuft eine Sam­mel­kla­ge gegen Bil­der-KIs, weil der Ver­dacht besteht, dass die künst­li­chen Intel­li­gen­zen mit urhe­ber­recht­lich geschütz­tem Mate­ri­al trai­niert wurden.

Das Unter­neh­men Ado­be geht daher einen ande­ren Weg: Für das Trai­ning der KI des Pho­to­shop-Her­stel­lers wur­den aus­schließ­lich lizen­zier­te Fotos ver­wen­det. Aller­dings ist zumin­dest nach den aktu­el­len Geschäfts­be­din­gun­gen der Beta-Pha­se der KI wie­der­um kei­ne kom­mer­zi­el­le Nut­zung erlaubt. Die KI-gene­rier­ten Bil­der sind nur für den per­sön­li­chen Gebrauch bestimmt.

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