Made in Germany?

Avatar von Marcus Schwarze

Ein einziger Auftritt stellt beim Eurovision Song Contest die Regeln auf den Kopf: „Made in Switzerland“ glänzt als selbstironische Hymne auf Schweizer Uhren, Käse und Armbrustschützen. Geht sowas auf Deutsch?

Der bes­te Titel beim Euro­vi­si­on Song Con­test bricht alle Vor­schrif­ten. Er holt mehr als die erlaub­ten sechs Tän­zer auf die Büh­ne, dau­ert dop­pelt so lang wie die zuläs­si­gen drei Minu­ten, und abstim­men darf man für ihn nicht. „Made in Switz­er­land“ sin­gen da Hazel Brug­ger und San­dra Stu­der gekonnt im Stil eines Broad­way-Musi­cals, unter­stützt von Petra Mede als Arm­brust­schüt­zin in der Gestalt von Wil­helm Tell. Der Ur-Schwei­zer hat­te in den fünf­zi­ger Jah­ren des 13. Jahr­hun­derts das Land geeint. Er form­te die Visi­on von einer Welt ohne Spal­tung. Die Idee, wenn auch so noch nie erzählt: ein Musik­wett­be­werb. Die „Euro­vi­si­on“ war geboren.

Mit viel Witz und Selbst­iro­nie besin­gen und betan­zen die Schwei­ze­rin­nen ihre Errun­gen­schaf­ten. Neben den Schwei­zer Uhren und der Scho­ko­la­de rüh­men sie sich des Schmelz­kä­ses, des Kar­tof­fel­schä­lers und des Schwei­zer Taschen­mes­sers. Die E‑Gitarre und das Müs­li, das Inter­net und LSD stam­men aus dem Alpen­land. Die größ­te Leis­tung aber war die von Wil­helm Tell. Man sei so arm gewe­sen, dass sogar der Käse Löcher hat­te. Doch Tell führ­te die Eid­ge­nos­sen in eine neue Zeit. Nur 500 Jah­re spä­ter wur­de sei­ne Euro­vi­si­on Rea­li­tät, gegrün­det, na klar, in der Schweiz.

Wäre so ein ver­gnüg­li­cher Titel in Deutsch­land möglich?

Drei KIs habe ich dar­an dich­ten las­sen. Note­book­LM besorg­te den Song­text aus dem You­Tube-Video. ChatGPT o3 defi­nier­te die Kli­schees und Errun­gen­schaf­ten deut­scher Dich­ter, Den­ker und Tüft­ler. Vor­schlä­ge reich­ten vom MP3-Musik­for­mat bis zum Pfand­fla­schen­per­fek­tio­nis­mus, vom DSGVO-kon­for­men Gesicht­spi­xel­fil­ter bei jeder Nah­auf­nah­me des Song Con­tests bis zur VAR-Prü­fung der gesun­ge­nen Ton­hö­he mit­tels Video­schieds­rich­tern aus dem Köl­ner Keller.

Und o3 ersann im drit­ten Durch­lauf dar­aus einen neu­en Text gemünzt auf die Deut­schen. Im Metrum der Schwei­zer Melo­die, mit den ent­spre­chen­den Vers­län­gen und ange­pass­ten Zwi­schen­spie­le. Die Maschi­ne erfand fol­gen­den Text.


Gesprochenes Intro (gleiches Tempo, gleiche Taktzahl wie das Original)

In twen­ty-ten the ESC moved back to Ger­ma­ny after Lena’s litt­le Satel­li­te spun to the stars.
And now the tro­phy cir­cles once again abo­ve this land of beer foams and bina­ry code.
Hos­ting Euro­vi­si­on is the per­fect chan­ce to polish cli­chés till they sparkle—then drop them on the flo­or.
Becau­se what comes to mind when some­bo­dy says “Ger­ma­ny”?
Only high­ways with no speed limit, brat­wurst bazaars and a sche­du­le that sca­res the sun?
Nein! The­re is more than leder­ho­sen line-dancing and Okto­ber­fest sel­fies.
The best inven­ti­ons were ham­me­red, prin­ted or bre­wed right here. For example…

Gesungene Liste (Viertelnotentakt)

Instant cof­fee, pocket recor­der, poly­car­bo­na­te, the hum­ble gum­my bear,
micro­chips that do the math while ever­yo­ne still counts on fin­gers in the air!
So—let’s sing it.

REFRAIN 1 (identische Taktstruktur zum Schweizer Refrain)

Made in Ger­ma­ny, like the prin­ting press and Pils.
Made in Ger­ma­ny, like the motor­way for thrills.
Made in Ger­ma­ny, and when a hea­da­che kills, just reach for Aspi­rin—
that’s Made in Ger­ma­ny!
The trus­ty air-bag, cue the crash-test dum­my—
it’s Made in Germany!

Vers 1 (gleiches Silbenmuster)

Think of punc­tu­al trains (okay, the myth still lives),
of fol­ders colour-coded, every stamp pre­cis­e­ly gives.
Yet back­stage hums a tech­no-dream in frac­tal mid­night light;
MP3 shrinks hearta­che down to three oh-three tonight.
(whisper) “Three extra seconds—don’t tell the EBU.”

Vorchor (über vier Takte gesprochen)

Behind each DIN-sized paper sheet hides a sci­en­tist with glit­ter on the lab coat.

REFRAIN 2

Made in Ger­ma­ny like the X‑ray’s ghost­ly gleam.
Made in Ger­ma­ny like the zip­per on your jeans.
Made in Germany—chip-card pays the pyro beam, the safe­ty check is free.
LEDs that blind the jury—
all Made in Germany!

Story-Interlude (gleiche komödiantische Kadenz wie der Abschnitt „William Tell“)

In the mid-fif­te­enth cen­tu­ry
Mon­ks still hoard­ed scrolls; town criers strai­ned their lungs.
A rest­less golds­mith, Johan­nes Guten­berg, sig­hed:
“The­se parch­ment dumb­bells must go—let let­ters dance!”
He cast fresh type, ink kissed the page, rumours found rhythm…
Crowds shou­ted, “Print the score—make music a con­test!”
He named it ‘Print-Visi­on’. A typo drop­ped the P,
and sud­den­ly it read Euro-Visi­on.
His­to­ri­cal fact—please don’t goog­le it.

Promi-Cameo-Lauf (acht Takte, passendes Schweizer Tempo)

Ange­la Mer­kel struts on, whis­pers dead­pan “Yes, we can mea­su­re that.”
Albert Ein­stein raps, “Time dila­tes when twel­ve points hesi­ta­te.”
Till Lin­de­mann hoists a flame—immediately dou­sed by TÜV offi­cers in hi-vis ves­ts.
Hele­ne Fischer back-flips with rain­bow gum­my bears rai­ning down.
Dirk Nowitz­ki slam-dunks an over­si­ze 12 into the green-room basket.

SCHLUSSCHORUS (einen ganzen Ton höher, gleiche Länge)

Made in Ger­ma­ny, from die­sel thump to dro­ne,
Made in Ger­ma­ny, from Beethoven’s metro­no­me.
Made in Ger­ma­ny, the voting system’s chrome—blame spreadsheet wizar­dry.
Rai­se a Stein, ali­gn the beat,
Euro-Visi­on, on repeat—
Made… in… Ger-ma-ny-eeeee!

Outro gesprochen (Acht-Beat-Takt)

If any points go miss­ing, chalk it up to Teu­to­nic fine-tuning—never to bad arithmetic.


Da sitzt noch nicht jede Ana­lo­gie. Nicht alles was hinkt, ist ein Ver­gleich. Und ob im Detail der Reiß­ver­schluss und der Instant­kaf­fee aus Deutsch­land oder der Schweiz stam­men, wis­sen die Neu­see­län­der und Ame­ri­ka­ner bes­ser. Der Kaf­fee­fil­ter von Melit­ta Bentz könn­te bes­ser passen.

Doch ist der KI-Text eine schö­ne Wider­le­gung der The­se, Künst­li­che Intel­li­genz kön­ne kei­ne Krea­ti­vi­tät, und sie kön­ne nur neu zusam­men­stel­len, womit sie ein­mal trai­niert wurde.

Das Schwei­zer Lied wur­de von Lukas Hobi und Chris­ti­an Knecht geschrie­ben, von Pele Loria­no, Ben­ji Ala­su und Wojciech Kostrze­wa arran­giert und von Jon Hall­gren, Pele Loria­no und Ben­ji Ala­su pro­du­ziert. Über Wochen und Mona­te haben sie seit Janu­ar mit den drei Sän­ge­rin­nen, einem Chor und den Tän­zern an „Made in Switz­er­land“ gear­bei­tet. Da kann eine hal­be Stun­de KI nicht mithalten.

Aber auf Guten­berg statt Wil­helm Tell, den Reim von Pils auf Autobahn-„Thrills“ und den TÜV-Prü­fern am Feu­er­set der Büh­ne, da hät­te auch mensch­li­che Intel­li­genz län­ger drauf her­um­den­ken müs­sen. Der Schuss Genia­li­tät, er bleibt der Schweiz unbe­nom­men und zeugt von har­ter krea­ti­ver Arbeit. Doch die Ein­schüs­se der Maschi­nen kom­men näher. Guten­berg might appro­ve this print-visi­on, made in Germany.

PS: Im Pod­cast Tech, KI und Schmet­ter­lin­ge von Sascha Lobo in Zusam­men­ar­beit mit Schwarz Digi­tal stel­le ich ein KI-Tool der Woche vor. Letz­te Woche ging’s um ein Werk­zeug zum Ent­lar­ven von Quatsch im Netz. An die­sem Mitt­woch vor­aus­sicht­lich um eine KI, die eine her­un­ter­ge­kom­me­ne Jung­ge­sel­len­bu­de umgestaltet.

PPS: An jedem Monats­ers­ten bie­te ich ein Semi­nar für den Ein­satz von KI in der Pra­xis. Die Teil­nah­me per Zoom-Video kos­tet 90 Euro.