Der beste Titel beim Eurovision Song Contest bricht alle Vorschriften. Er holt mehr als die erlaubten sechs Tänzer auf die Bühne, dauert doppelt so lang wie die zulässigen drei Minuten, und abstimmen darf man für ihn nicht. „Made in Switzerland“ singen da Hazel Brugger und Sandra Studer gekonnt im Stil eines Broadway-Musicals, unterstützt von Petra Mede als Armbrustschützin in der Gestalt von Wilhelm Tell. Der Ur-Schweizer hatte in den fünfziger Jahren des 13. Jahrhunderts das Land geeint. Er formte die Vision von einer Welt ohne Spaltung. Die Idee, wenn auch so noch nie erzählt: ein Musikwettbewerb. Die „Eurovision“ war geboren.
Mit viel Witz und Selbstironie besingen und betanzen die Schweizerinnen ihre Errungenschaften. Neben den Schweizer Uhren und der Schokolade rühmen sie sich des Schmelzkäses, des Kartoffelschälers und des Schweizer Taschenmessers. Die E‑Gitarre und das Müsli, das Internet und LSD stammen aus dem Alpenland. Die größte Leistung aber war die von Wilhelm Tell. Man sei so arm gewesen, dass sogar der Käse Löcher hatte. Doch Tell führte die Eidgenossen in eine neue Zeit. Nur 500 Jahre später wurde seine Eurovision Realität, gegründet, na klar, in der Schweiz.
Wäre so ein vergnüglicher Titel in Deutschland möglich?
Drei KIs habe ich daran dichten lassen. NotebookLM besorgte den Songtext aus dem YouTube-Video. ChatGPT o3 definierte die Klischees und Errungenschaften deutscher Dichter, Denker und Tüftler. Vorschläge reichten vom MP3-Musikformat bis zum Pfandflaschenperfektionismus, vom DSGVO-konformen Gesichtspixelfilter bei jeder Nahaufnahme des Song Contests bis zur VAR-Prüfung der gesungenen Tonhöhe mittels Videoschiedsrichtern aus dem Kölner Keller.
Und o3 ersann im dritten Durchlauf daraus einen neuen Text gemünzt auf die Deutschen. Im Metrum der Schweizer Melodie, mit den entsprechenden Verslängen und angepassten Zwischenspiele. Die Maschine erfand folgenden Text.
Gesprochenes Intro (gleiches Tempo, gleiche Taktzahl wie das Original)
In twenty-ten the ESC moved back to Germany after Lena’s little Satellite spun to the stars.
And now the trophy circles once again above this land of beer foams and binary code.
Hosting Eurovision is the perfect chance to polish clichés till they sparkle—then drop them on the floor.
Because what comes to mind when somebody says “Germany”?
Only highways with no speed limit, bratwurst bazaars and a schedule that scares the sun?
Nein! There is more than lederhosen line-dancing and Oktoberfest selfies.
The best inventions were hammered, printed or brewed right here. For example…
Gesungene Liste (Viertelnotentakt)
Instant coffee, pocket recorder, polycarbonate, the humble gummy bear,
microchips that do the math while everyone still counts on fingers in the air!
So—let’s sing it.
REFRAIN 1 (identische Taktstruktur zum Schweizer Refrain)
Made in Germany, like the printing press and Pils.
Made in Germany, like the motorway for thrills.
Made in Germany, and when a headache kills, just reach for Aspirin—
that’s Made in Germany!
The trusty air-bag, cue the crash-test dummy—
it’s Made in Germany!
Vers 1 (gleiches Silbenmuster)
Think of punctual trains (okay, the myth still lives),
of folders colour-coded, every stamp precisely gives.
Yet backstage hums a techno-dream in fractal midnight light;
MP3 shrinks heartache down to three oh-three tonight.
(whisper) “Three extra seconds—don’t tell the EBU.”
Vorchor (über vier Takte gesprochen)
Behind each DIN-sized paper sheet hides a scientist with glitter on the lab coat.
REFRAIN 2
Made in Germany like the X‑ray’s ghostly gleam.
Made in Germany like the zipper on your jeans.
Made in Germany—chip-card pays the pyro beam, the safety check is free.
LEDs that blind the jury—
all Made in Germany!
Story-Interlude (gleiche komödiantische Kadenz wie der Abschnitt „William Tell“)
In the mid-fifteenth century
Monks still hoarded scrolls; town criers strained their lungs.
A restless goldsmith, Johannes Gutenberg, sighed:
“These parchment dumbbells must go—let letters dance!”
He cast fresh type, ink kissed the page, rumours found rhythm…
Crowds shouted, “Print the score—make music a contest!”
He named it ‘Print-Vision’. A typo dropped the P,
and suddenly it read Euro-Vision.
Historical fact—please don’t google it.
Promi-Cameo-Lauf (acht Takte, passendes Schweizer Tempo)
Angela Merkel struts on, whispers deadpan “Yes, we can measure that.”
Albert Einstein raps, “Time dilates when twelve points hesitate.”
Till Lindemann hoists a flame—immediately doused by TÜV officers in hi-vis vests.
Helene Fischer back-flips with rainbow gummy bears raining down.
Dirk Nowitzki slam-dunks an oversize 12 into the green-room basket.
SCHLUSSCHORUS (einen ganzen Ton höher, gleiche Länge)
Made in Germany, from diesel thump to drone,
Made in Germany, from Beethoven’s metronome.
Made in Germany, the voting system’s chrome—blame spreadsheet wizardry.
Raise a Stein, align the beat,
Euro-Vision, on repeat—
Made… in… Ger-ma-ny-eeeee!
Outro gesprochen (Acht-Beat-Takt)
If any points go missing, chalk it up to Teutonic fine-tuning—never to bad arithmetic.
Da sitzt noch nicht jede Analogie. Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich. Und ob im Detail der Reißverschluss und der Instantkaffee aus Deutschland oder der Schweiz stammen, wissen die Neuseeländer und Amerikaner besser. Der Kaffeefilter von Melitta Bentz könnte besser passen.
Doch ist der KI-Text eine schöne Widerlegung der These, Künstliche Intelligenz könne keine Kreativität, und sie könne nur neu zusammenstellen, womit sie einmal trainiert wurde.
Das Schweizer Lied wurde von Lukas Hobi und Christian Knecht geschrieben, von Pele Loriano, Benji Alasu und Wojciech Kostrzewa arrangiert und von Jon Hallgren, Pele Loriano und Benji Alasu produziert. Über Wochen und Monate haben sie seit Januar mit den drei Sängerinnen, einem Chor und den Tänzern an „Made in Switzerland“ gearbeitet. Da kann eine halbe Stunde KI nicht mithalten.
Aber auf Gutenberg statt Wilhelm Tell, den Reim von Pils auf Autobahn-„Thrills“ und den TÜV-Prüfern am Feuerset der Bühne, da hätte auch menschliche Intelligenz länger drauf herumdenken müssen. Der Schuss Genialität, er bleibt der Schweiz unbenommen und zeugt von harter kreativer Arbeit. Doch die Einschüsse der Maschinen kommen näher. Gutenberg might approve this print-vision, made in Germany.
PS: Im Podcast Tech, KI und Schmetterlinge von Sascha Lobo in Zusammenarbeit mit Schwarz Digital stelle ich ein KI-Tool der Woche vor. Letzte Woche ging’s um ein Werkzeug zum Entlarven von Quatsch im Netz. An diesem Mittwoch voraussichtlich um eine KI, die eine heruntergekommene Junggesellenbude umgestaltet.
PPS: An jedem Monatsersten biete ich ein Seminar für den Einsatz von KI in der Praxis. Die Teilnahme per Zoom-Video kostet 90 Euro.