Autor: Marcus Schwarze

  • Made in Germany?

    Made in Germany?

    Der bes­te Titel beim Euro­vi­si­on Song Con­test bricht alle Vor­schrif­ten. Er holt mehr als die erlaub­ten sechs Tän­zer auf die Büh­ne, dau­ert dop­pelt so lang wie die zuläs­si­gen drei Minu­ten, und abstim­men darf man für ihn nicht. „Made in Switz­er­land“ sin­gen da Hazel Brug­ger und San­dra Stu­der gekonnt im Stil eines Broad­way-Musi­cals, unter­stützt von Petra Mede als Arm­brust­schüt­zin in der Gestalt von Wil­helm Tell. Der Ur-Schwei­zer hat­te in den fünf­zi­ger Jah­ren des 13. Jahr­hun­derts das Land geeint. Er form­te die Visi­on von einer Welt ohne Spal­tung. Die Idee, wenn auch so noch nie erzählt: ein Musik­wett­be­werb. Die „Euro­vi­si­on“ war geboren.

    Mit viel Witz und Selbst­iro­nie besin­gen und betan­zen die Schwei­ze­rin­nen ihre Errun­gen­schaf­ten. Neben den Schwei­zer Uhren und der Scho­ko­la­de rüh­men sie sich des Schmelz­kä­ses, des Kar­tof­fel­schä­lers und des Schwei­zer Taschen­mes­sers. Die E‑Gitarre und das Müs­li, das Inter­net und LSD stam­men aus dem Alpen­land. Die größ­te Leis­tung aber war die von Wil­helm Tell. Man sei so arm gewe­sen, dass sogar der Käse Löcher hat­te. Doch Tell führ­te die Eid­ge­nos­sen in eine neue Zeit. Nur 500 Jah­re spä­ter wur­de sei­ne Euro­vi­si­on Rea­li­tät, gegrün­det, na klar, in der Schweiz.

    Wäre so ein ver­gnüg­li­cher Titel in Deutsch­land möglich?

    Drei KIs habe ich dar­an dich­ten las­sen. Note­book­LM besorg­te den Song­text aus dem You­Tube-Video. ChatGPT o3 defi­nier­te die Kli­schees und Errun­gen­schaf­ten deut­scher Dich­ter, Den­ker und Tüft­ler. Vor­schlä­ge reich­ten vom MP3-Musik­for­mat bis zum Pfand­fla­schen­per­fek­tio­nis­mus, vom DSGVO-kon­for­men Gesicht­spi­xel­fil­ter bei jeder Nah­auf­nah­me des Song Con­tests bis zur VAR-Prü­fung der gesun­ge­nen Ton­hö­he mit­tels Video­schieds­rich­tern aus dem Köl­ner Keller.

    Und o3 ersann im drit­ten Durch­lauf dar­aus einen neu­en Text gemünzt auf die Deut­schen. Im Metrum der Schwei­zer Melo­die, mit den ent­spre­chen­den Vers­län­gen und ange­pass­ten Zwi­schen­spie­le. Die Maschi­ne erfand fol­gen­den Text.


    Gesprochenes Intro (gleiches Tempo, gleiche Taktzahl wie das Original)

    In twen­ty-ten the ESC moved back to Ger­ma­ny after Lena’s litt­le Satel­li­te spun to the stars.
    And now the tro­phy cir­cles once again abo­ve this land of beer foams and bina­ry code.
    Hos­ting Euro­vi­si­on is the per­fect chan­ce to polish cli­chés till they sparkle—then drop them on the flo­or.
    Becau­se what comes to mind when some­bo­dy says “Ger­ma­ny”?
    Only high­ways with no speed limit, brat­wurst bazaars and a sche­du­le that sca­res the sun?
    Nein! The­re is more than leder­ho­sen line-dancing and Okto­ber­fest sel­fies.
    The best inven­ti­ons were ham­me­red, prin­ted or bre­wed right here. For example…

    Gesungene Liste (Viertelnotentakt)

    Instant cof­fee, pocket recor­der, poly­car­bo­na­te, the hum­ble gum­my bear,
    micro­chips that do the math while ever­yo­ne still counts on fin­gers in the air!
    So—let’s sing it.

    REFRAIN 1 (identische Taktstruktur zum Schweizer Refrain)

    Made in Ger­ma­ny, like the prin­ting press and Pils.
    Made in Ger­ma­ny, like the motor­way for thrills.
    Made in Ger­ma­ny, and when a hea­da­che kills, just reach for Aspi­rin—
    that’s Made in Ger­ma­ny!
    The trus­ty air-bag, cue the crash-test dum­my—
    it’s Made in Germany!

    Vers 1 (gleiches Silbenmuster)

    Think of punc­tu­al trains (okay, the myth still lives),
    of fol­ders colour-coded, every stamp pre­cis­e­ly gives.
    Yet back­stage hums a tech­no-dream in frac­tal mid­night light;
    MP3 shrinks hearta­che down to three oh-three tonight.
    (whisper) “Three extra seconds—don’t tell the EBU.”

    Vorchor (über vier Takte gesprochen)

    Behind each DIN-sized paper sheet hides a sci­en­tist with glit­ter on the lab coat.

    REFRAIN 2

    Made in Ger­ma­ny like the X‑ray’s ghost­ly gleam.
    Made in Ger­ma­ny like the zip­per on your jeans.
    Made in Germany—chip-card pays the pyro beam, the safe­ty check is free.
    LEDs that blind the jury—
    all Made in Germany!

    Story-Interlude (gleiche komödiantische Kadenz wie der Abschnitt „William Tell“)

    In the mid-fif­te­enth cen­tu­ry
    Mon­ks still hoard­ed scrolls; town criers strai­ned their lungs.
    A rest­less golds­mith, Johan­nes Guten­berg, sig­hed:
    “The­se parch­ment dumb­bells must go—let let­ters dance!”
    He cast fresh type, ink kissed the page, rumours found rhythm…
    Crowds shou­ted, “Print the score—make music a con­test!”
    He named it ‘Print-Visi­on’. A typo drop­ped the P,
    and sud­den­ly it read Euro-Visi­on.
    His­to­ri­cal fact—please don’t goog­le it.

    Promi-Cameo-Lauf (acht Takte, passendes Schweizer Tempo)

    Ange­la Mer­kel struts on, whis­pers dead­pan “Yes, we can mea­su­re that.”
    Albert Ein­stein raps, “Time dila­tes when twel­ve points hesi­ta­te.”
    Till Lin­de­mann hoists a flame—immediately dou­sed by TÜV offi­cers in hi-vis ves­ts.
    Hele­ne Fischer back-flips with rain­bow gum­my bears rai­ning down.
    Dirk Nowitz­ki slam-dunks an over­si­ze 12 into the green-room basket.

    SCHLUSSCHORUS (einen ganzen Ton höher, gleiche Länge)

    Made in Ger­ma­ny, from die­sel thump to dro­ne,
    Made in Ger­ma­ny, from Beethoven’s metro­no­me.
    Made in Ger­ma­ny, the voting system’s chrome—blame spreadsheet wizar­dry.
    Rai­se a Stein, ali­gn the beat,
    Euro-Visi­on, on repeat—
    Made… in… Ger-ma-ny-eeeee!

    Outro gesprochen (Acht-Beat-Takt)

    If any points go miss­ing, chalk it up to Teu­to­nic fine-tuning—never to bad arithmetic.


    Da sitzt noch nicht jede Ana­lo­gie. Nicht alles was hinkt, ist ein Ver­gleich. Und ob im Detail der Reiß­ver­schluss und der Instant­kaf­fee aus Deutsch­land oder der Schweiz stam­men, wis­sen die Neu­see­län­der und Ame­ri­ka­ner bes­ser. Der Kaf­fee­fil­ter von Melit­ta Bentz könn­te bes­ser passen.

    Doch ist der KI-Text eine schö­ne Wider­le­gung der The­se, Künst­li­che Intel­li­genz kön­ne kei­ne Krea­ti­vi­tät, und sie kön­ne nur neu zusam­men­stel­len, womit sie ein­mal trai­niert wurde.

    Das Schwei­zer Lied wur­de von Lukas Hobi und Chris­ti­an Knecht geschrie­ben, von Pele Loria­no, Ben­ji Ala­su und Wojciech Kostrze­wa arran­giert und von Jon Hall­gren, Pele Loria­no und Ben­ji Ala­su pro­du­ziert. Über Wochen und Mona­te haben sie seit Janu­ar mit den drei Sän­ge­rin­nen, einem Chor und den Tän­zern an „Made in Switz­er­land“ gear­bei­tet. Da kann eine hal­be Stun­de KI nicht mithalten.

    Aber auf Guten­berg statt Wil­helm Tell, den Reim von Pils auf Autobahn-„Thrills“ und den TÜV-Prü­fern am Feu­er­set der Büh­ne, da hät­te auch mensch­li­che Intel­li­genz län­ger drauf her­um­den­ken müs­sen. Der Schuss Genia­li­tät, er bleibt der Schweiz unbe­nom­men und zeugt von har­ter krea­ti­ver Arbeit. Doch die Ein­schüs­se der Maschi­nen kom­men näher. Guten­berg might appro­ve this print-visi­on, made in Germany.

    PS: Im Pod­cast Tech, KI und Schmet­ter­lin­ge von Sascha Lobo in Zusam­men­ar­beit mit Schwarz Digi­tal stel­le ich ein KI-Tool der Woche vor. Letz­te Woche ging’s um ein Werk­zeug zum Ent­lar­ven von Quatsch im Netz. An die­sem Mitt­woch vor­aus­sicht­lich um eine KI, die eine her­un­ter­ge­kom­me­ne Jung­ge­sel­len­bu­de umgestaltet.

    PPS: An jedem Monats­ers­ten bie­te ich ein Semi­nar für den Ein­satz von KI in der Pra­xis. Die Teil­nah­me per Zoom-Video kos­tet 90 Euro. 

  • Wie die „Übersicht mit KI“ das Googeln verändert

    Wie die „Übersicht mit KI“ das Googeln verändert

    Novum bei Goog­le: Die „Über­sicht mit KI“. (Screen­shot: Mar­cus Schwarze/Google)

    „Über­sicht mit KI“ heißt eine Rubrik, die Goog­le neu­er­dings sei­nen Such­ergeb­nis­sen vor­an­stellt. Hat­te man frü­her gelernt, fürs Goo­geln Stich­wör­ter ein­zu­tip­pen, die auf den Tref­fer­sei­ten vor­kom­men soll­ten, kann man nun simp­le Fra­gen stel­len. „Wie ver­dient man online Geld?“ Goo­gles „Über­sicht mit KI“ erklärt ein­fa­che Metho­den wie Online-Umfra­gen, fort­ge­schrit­te­ne Metho­den wie Affi­lia­te-Mar­ke­ting und gibt Bei­spie­le für Platt­for­men, die man dafür nut­zen kann. Erst rechts dane­ben und dar­un­ter fol­gen Links zu ver­wen­de­ten Quel­len. „Wel­che Far­ben und Out­fits sehen vor der Kame­ra gut aus?“ Goo­gles KI emp­fiehlt neu­tra­le Far­ben und gedämpf­te Töne, etwa Mari­ne­blau oder Bur­gun­der­rot. „Was ist Gas­light­ing?“ Die KI erklärt aus­führ­lich die emo­tio­na­le Mani­pu­la­ti­on, die ande­re an ihrem eige­nen Ver­stand zwei­feln lässt.

    Der Reiz entfällt, auf Links zu klicken

    Nie­mand muss bei sol­chen Fra­gen anschlie­ßend auf die Links kli­cken, aus denen Goog­le die­se Erkennt­nis­se speist. Das jahr­zehn­te­lang funk­tio­nie­ren­de Modell der Link­lis­ten, ergänzt durch Wer­be­an­zei­gen, wankt. In den USA waren die „AI Over­views“ bereits 2024 ein­ge­führt wor­den, nach Deutsch­land kam die „Über­sicht mit KI“ Ende März.

    Das funk­tio­niert aller­dings nur, wenn man mit einem Goog­le-Kon­to ange­mel­det ist. Und man muss min­des­tens 18 Jah­re alt sein. Goog­le ent­schei­det per Algo­rith­mus, wann eine „Über­sicht mit KI“ hilf­rei­cher sein könn­te als blo­ße Ergeb­nis­lis­ten. Das geschieht in etwa 4,5 bis 12,5 Pro­zent aller Such­an­fra­gen. Der genaue Anteil vari­iert je nach Stu­die und The­ma. Wer die KI aus­schal­ten möch­te, kann einen Fil­ter „Web“ set­zen. In den Ein­stel­lun­gen des Goog­le-Kon­tos kann die Funk­ti­on auch dau­er­haft aus­ge­stellt werden.

    Das Publikum bewertet KI-Antworten

    Goog­le ver­spricht bei den KI-Tex­ten ein beson­de­res Augen­merk auf die Fak­ten­treue. Und es setzt auf Bewer­tun­gen durch die Nut­zer­schaft. Am Ende jeder „Über­sicht mit KI“ kann man einen nach oben oder unten gerich­te­ten Dau­men ver­ge­ben. Denn dass „Mari­ne­blau und Bur­gun­der­rot“ tat­säch­lich emp­feh­lens­wer­te Far­ben vor der Kame­ra sind, kann man auch anders sehen. Wer will, kann zusätz­lich per Text und Screen­shot Feed­back geben. So arbei­ten dann eini­ge Nut­zer kos­ten­los bei Goog­le mit.

    Das Goo­geln, wie wir es kann­ten, ver­än­dert sich. Es ent­fällt der Anreiz, auf einen Link zu kli­cken. Das haben bereits neue KI-Diens­te wie Per­ple­xi­ty AI vor­ge­macht, auch Open AI beant­wor­tet Fra­gen KI-gestützt, oft sogar ohne zu den Quel­len zu ver­lin­ken. Nach Anga­ben von Words­mattr, einer Wer­be­agen­tur aus Wien, beein­träch­tigt die „Über­sicht mit KI“ stark den Traf­fic bei Web­sei­ten­be­trei­bern. Klicks über Goog­le san­ken in der ers­ten Woche der Ein­füh­rung der KI-Funk­ti­on um 17,8 Pro­zent. Ähn­li­che Ergeb­nis­se hat­te im ver­gan­ge­nen Jahr eine Stu­die von Seer Inter­ac­ti­ve in den USA erge­ben. Aller­dings pro­fi­tie­ren wie­der­um ein­zel­ne Web­sei­ten davon, in der „Über­sicht mit KI“ ver­linkt zu sein. Für SEO-Mana­ger, die sich auf die Such­ma­chi­nen­op­ti­mie­rung von Web­sei­ten spe­zia­li­siert haben, bre­chen neue Zei­ten an. 

    Kritik von Verlegern an KI-Nutzung

    Und für Nach­rich­ten­ver­la­ge: „Wenn KI-Sys­te­me wie Chat­bots oder AI Over­views jour­na­lis­ti­sche Inhal­te erset­zen und gleich­zei­tig kei­ner ver­bind­li­chen Regu­lie­rung unter­lie­gen, ist nicht nur unser Geschäfts­mo­dell in Gefahr – son­dern auch die freie, pro­fes­sio­nel­le Bericht­erstat­tung als Pfei­ler der Demo­kra­tie“, schrieb der BDZV-Vor­sit­zen­de Mat­thi­as Dit­zen-Blan­ke kürz­lich auf Lin­ke­dIn. „Die Pres­se­ver­la­ge tra­gen die Kos­ten für Recher­che, Redak­ti­on und Qua­li­täts­si­che­rung. Goog­le nutzt ihre Inhal­te, um eige­ne Pro­duk­te attrak­ti­ver zu machen – ohne dafür eine Gegen­leis­tung zu erbrin­gen. Das ist kein fai­rer Wett­be­werb, son­dern ein sys­te­mi­scher Wer­te­trans­fer.“ Im BDZV, dem Bun­des­ver­band Digi­tal­pu­blisher und Zei­tungs­ver­le­ger, sind 318 Medi­en­mar­ken mit rund 2800 digi­ta­len jour­na­lis­ti­schen Ange­bo­ten organisiert.

    Gemein­sam mit ande­ren Ver­le­ger­ver­bän­den hat der BDZV eine „Erklä­rung von Zürich“ abge­ge­ben: Dar­in for­dern die Ver­bän­de von den KI-Betrei­bern eine Ver­gü­tung für die Nut­zung jour­na­lis­ti­scher Inhal­te und eine Ver­lin­kung ver­wen­de­ter Quel­len. Ein­zel­ne KI-Diens­te wie Open AI und Per­ple­xi­ty haben bereits mit Medi­en­häu­sern Lizenz­ver­trä­ge abge­schlos­sen, etwa mit News Corp („Wall Street Jour­nal“) und der Nach­rich­ten­agen­tur Asso­cia­ted Press.

  • Künstliche Intelligenz am Limit

    Künstliche Intelligenz am Limit

    „Unsere Grafikprozessoren schmilzen“, schrieb OpenAI-Chef Sam Altman. (Bild KI-generiert)
    „Unse­re Gra­fik­pro­zes­so­ren schmil­zen“, schrieb Ope­nAI-Chef Sam Alt­man. (Bild KI-generiert)

    Wer in die­sen Tagen Künst­li­che Intel­li­genz benutzt, erhält das Bild einer Tech­nik am Limit. Ope­nAI schickt im Minu­ten­ab­stand Mails über Aus­fäl­le, Grok ver­wei­gert schon mal eine Vier­tel­stun­de lang den Dienst.

    Die Betrei­ber haben zuletzt immer wie­der mäch­ti­ge neue Funk­tio­nen instal­liert. Sie brin­gen die Sys­te­me an die Gren­zen. Ope­nAI hat in der ver­gan­ge­nen Woche die Bild­ge­ne­rie­rung auf einen neu­en Level geho­ben. Und den pro­bie­ren offen­bar nicht mehr nur Enthu­si­as­ten mas­siv aus.

    Wer etwa den Sta­tus­dienst von Ope­nI abon­niert hat, der Aus­kunft über die Sys­tem­sta­bi­li­tät der KI-Werk­zeu­ge gibt, erhielt am Wochen­en­de im Minu­ten­takt Feh­ler­mel­dun­gen per Mail. ChatGPT, die Video­platt­form Sora, ein „Play­ground“ auf der Web­sei­te und eine Labor­platt­form waren teils mas­siv gestört. Mal schei­ter­ten die Neu­an­mel­dun­gen, mal lie­ßen sich kei­ne Datei­en hoch­la­den. Chats wur­den nicht bedient, und die Tech­ni­ker beschränk­ten die offen­sicht­li­che Ursa­che für die Feh­ler: die neue rechen­auf­wän­di­ge Erstel­lung von Bildern.

    Da hat etwa die Nasa einen Wett­be­werb für ein neu­es Mas­kott­chen aus­ge­schrie­ben. Bei einem der nächs­ten Welt­raum­flü­ge soll eine klei­ne Pup­pe die Astro­nau­ten beglei­ten. Sie zeigt ihnen dann den Zustand der Schwe­re­lo­sig­keit, sobald sie nicht mehr an einem Seil bau­melt, son­dern in der Luft schwebt. Die ein­fa­che Tech­nik ist seit Jahr und Tag ein übli­ches Mit­tel für Astro­nau­ten. Dut­zen­de sol­cher Pup­pen waren an Bord von Raum­schif­fen. Zuletzt bei­spiels­wei­se die Comic­fi­gur Snoo­py als Plüsch­pup­pe. Für den nächs­ten Flug sucht die Nasa nach einer neu­en Puppe.

    Lucy aus dem „Peanuts“-Comic als Puppe im Astronauten-Anzug. (Bild KI-generiert)
    Lucy aus dem „Peanuts“-Comic als Pup­pe im Astro­nau­ten-Anzug. (Bild KI-generiert)

    Ich habe das mal mit einer weib­li­chen Figur durch­ge­spielt, mit­hil­fe von ChatGPT-4o. Die KI mach­te mir die nöti­gen Dar­stel­lun­gen von Lucy, der mei­nungs­star­ken, recht­ha­be­ri­schen und spöt­ti­schen Figur aus dem Comic „Pea­nuts“. Auf der Web­sei­te der Nasa zum Wett­be­werb sind sehr genaue Vor­ga­ben für die Grö­ße, das Gewicht und die zu ver­wen­den­den Mate­ria­li­en nach­zu­le­sen. Die KI kann das berück­sich­ti­gen. Und die gewünsch­ten Dar­stel­lun­gen der Pup­pe von vor­ne, der Rück­sei­te und der Sei­te erstellen.

    Lucy im Astronauten-Anzug, von hinten betrachtet. (Bild KI-generiert)
    Lucy im Astro­nau­ten-Anzug, von hin­ten betrach­tet. (Bild KI-generiert)
    Auch eine schematische Zeichnung kann die KI. (Bild KI-generiert)
    Auch eine sche­ma­ti­sche Zeich­nung kann die KI. (Bild KI-generiert)

    Das alles ist mit KI-Hil­fe in einer hal­ben Stun­de erle­digt (auch wenn im Detail man­che Dar­stel­lun­gen inkon­sis­tent sind). Doch merkt man, wel­che Rechen­kraft dafür nötig ist. Ein ein­zel­nes Bild braucht schon mal zwei oder drei Minu­ten. Und immer wie­der kommt eine neue War­nung: Sinn­ge­mäß ist das Sys­tem aus­ge­las­tet, man sol­le es bit­te in fünf, sechs oder 18 Minu­ten wie­der pro­bie­ren. „Könnt ihr bit­te mal auf­hö­ren, Bil­der, zu gene­rie­ren, das ist unglaub­lich, unser Team braucht Schlaf“, schrieb Ope­nAI-Chef Sam Alt­man. Er habe noch nie eine ver­gleich­ba­re Ent­wick­lung gesehen.

    Das Distracted-Boyfriend-Meme im Stil des Zeichentrickstudios Ghibli. (Bild KI-generiert)
    Das Dis­trac­ted-Boy­fri­end-Meme im Stil des Zei­chen­trick­stu­di­os Ghi­b­li. (Bild KI-generiert)

    Ange­feu­ert wur­de die mas­si­ve KI-Nut­zung tage­lang durch Ghi­b­li, eine Dar­stel­lungs­form von Bil­dern im Stil eines japa­ni­schen Zei­chen­trick­film­stu­di­os. Dabei wer­den Per­so­nen mit sim­pel erschei­nen­den Pin­sel­stri­chen in nied­li­che Figu­ren ver­wan­delt. So gut wie jedes Meme (Inter­net-Phä­no­mem) wur­de von Fans mitt­ler­wei­le ghi­b­li­siert und auf Social Media ver­öf­fent­licht. Das Beson­de­re dar­an ist, dass die Bil­der-KI auch den Kon­text zu einem Bild als Vor­la­ge bes­ser ver­steht. So kann die KI das berühm­te „Dis­trac­ted Boyfriend“-Meme im Ghi­b­li-Stil dar­stel­len. Auf dem Bild schaut ein untreu­er Mann beim Bum­meln mit sei­ner Freun­din ent­zückt einer ande­ren Frau nach. Selbst wenn man das Ori­gi­nal­bild der gestell­ten Auf­nah­me nicht hoch­lädt, kennt ChatGPT-4o die Dar­stel­lung – und gene­riert ein ähn­li­ches Bild im Zeichentrickmodus.

    ChatGPT-4o hat eine Vorlage für eine Webseite erfunden. (Bild KI-generiert)
    ChatGPT-4o hat eine Vor­la­ge für eine Web­sei­te erfun­den. (Bild KI-generiert)

    Die Funk­ti­on zur Bild­ge­ne­rie­rung geht über Spie­le­rei­en hin­aus. Mit den rich­ti­gen Prompts gene­riert die KI Benut­zer­ober­flä­chen für Web­sei­ten, etwa für eine Musikab­spiel­sei­te, eine per­sön­li­che Finanz­ver­wal­tung oder eine Klei­der-Ver­kaufs­platt­form. Frei­lich sind das zunächst nur Bil­der ohne Funk­ti­on. Doch kann KI im nächs­ten Schritt, so die Ver­hei­ßung, dar­aus ech­te Web­sei­ten mit Funk­tio­nen pro­gram­mie­ren. Ver­su­che zur Pro­gram­mie­rung per KI lau­fen, ein­zel­ne Anwen­dun­gen dafür erschei­nen viel­ver­spre­chend. Ob sie nöti­ge Sicher­heits­aspek­te berück­sich­ti­gen, steht auf einem ande­ren Blatt. Pro­gram­mier­lai­en kön­nen den ent­ste­hen­den Code kaum ein­schät­zen. Auch Info­gra­fi­ken sind auf die­se Wei­se mög­lich – wenn­gleich sie im Detail immer mal wie­der Feh­ler pro­du­zie­ren. Was es damit auf sich hat, beschrei­be ich in einem wei­te­ren Bei­trag, der in Kür­ze im F.A.Z.-PRO-Digitalwirtschaft-Briefing erscheint.

    Schmelzender Server. (Bild KI-generiert)
    Schmel­zen­der Ser­ver. (Bild KI-generiert)

    Vor­aus­set­zung ist aller­dings, die Rechen­kraft reicht dafür aus. Ope­nAI hat zuletzt die Gene­rie­rung von Vide­os auf der Platt­form Sora ein­ge­schränkt. „Wir erle­ben schwe­ren Traf­fic und haben daher die Video­funk­ti­on für neue Kon­ten ein­ge­schränkt“, teil­te Ope­nAI mit. Es sei für Neu­lin­ge nur mög­lich, Bil­der zu gene­rie­ren. „Unse­re Gra­fik­kar­ten schmil­zen“, schrieb Alt­man. Die Bil­der­ge­ne­rie­rung für Kos­ten­los-Nut­zer wur­de dar­auf­hin ver­scho­ben. „Man­gel an Gra­fik­pro­zes­so­ren, Kum­pel“, begrün­de­te er gegen­über einem X‑Nutzer, war­um zudem die KI 4o und nicht die auf­wen­di­ge­re Ver­si­on 4.5 ein Update bekom­men habe.

    Fehlermeldung bei der Video-KI Sora.
    Feh­ler­mel­dung bei der Video-KI Sora.

    Einen ähn­li­chen Ansturm erlebt offen­bar auch Grok, die KI von Mil­li­ar­där Elon Musk auf der Platt­form X, vor­mals Twit­ter. Es gab auch hier in den letz­ten Tagen zuneh­mend Aus­set­zer, mal ant­wor­te­te der Dienst nicht oder bat dar­um, es spä­ter erneut zu ver­su­chen. Mehr und mehr Men­schen nut­zen die­se KI offen­bar, um sich bestimm­te Sach­ver­hal­te oder Tweets erklä­ren zu las­sen. Oder eben­falls, um Bil­der zu generieren.

    Erst kam die Mensch­heit mit den Mög­lich­kei­ten der Tech­nik nicht mehr mit, nun scheint es umge­kehrt. Das Tem­po der KI-Ent­wick­lung ist immens. Vie­le Kri­ti­ker haben die KI vor Wochen und Mona­ten aus­pro­biert und wegen man­gel­haf­ter Ergeb­nis­se ihr Urteil gebil­det. Doch sind die Ite­ra­tio­nen Woche um Woche mas­siv. Wer auf der Höhe blei­ben will, kommt um immer wie­der neu­es Aus­pro­bie­ren nicht herum.

  • Das plant Merz als Erstes im Kanzleramt

    Das plant Merz als Erstes im Kanzleramt

    (Screen­shot: Mar­cus Schwarze/YouTube/CDU)

    Ange­kün­digt hat Merz das vor zwei Mona­ten bei einem lau­ni­gen Talk mit Mar­kus Söder auf dem You­Tube-Kanal der CDU Deutsch­lands (kurz vor Schluss ab Minu­te 35.32). Nun bin ich zwar poli­tisch inter­es­siert, doch schaue ich nicht regel­mä­ßig Vide­os von Par­tei­en, eher sel­te­ner von der CDU und noch sel­te­ner bis zum Schluss. Mei­ne bevor­zug­ten Quel­len sind eher her­vor­ge­ho­be­ne Aus­schnit­te auf Social-Media-Kanälen.

    Und neu­er­dings häu­fi­ger von der KI. Denn die­se Aus­sa­ge von Merz habe nicht ich ent­deckt, son­dern der Dienst Note­book­LM von Goog­le. Eine Gegen­re­cher­che mit klas­si­schem Goo­geln und über Per­ple­xi­ty zeig­te mir, dass die­se Kicker-Aus­sa­ge offen­sicht­lich kei­ne ande­ren Medi­en auf­ge­grif­fen haben. War­um soll­ten sie auch, es waren ja noch zwei Mona­te bis zur Wahl, die Ankün­di­gung ist eher bou­le­var­desker Slap­stick, und wahr­schein­lich haben vie­le Jour­na­lis­ten Bes­se­res zu tun, als Par­tei­vi­de­os bis zum Schluss zu schauen.

    Nun aber rückt der Ein­zug ins Kanz­ler­amt näher. Sobald die Wahl­nacht durch ist, die Stim­men gezählt sind und Kon­stel­la­tio­nen für Koali­tio­nen durch­dis­ku­tiert wer­den, stür­zen sich Medi­en und Poli­tik dar­auf: Wer spricht mit wem? Das Detail mit dem Kicker­tisch könn­te als „lus­ti­ger“, Sili­con-Val­ley-liker, men­scheln­der Auf­hän­ger dienen. 

    Wie fin­det die KI so ein Zitat?

    Die Lösung ist Note­book­LM. Das Tool von Goog­le bekom­men Nut­zer des Workspace-Ange­bots von Goog­le seit ein paar Tagen oben­drauf zu ihrem Mail­post­fach und Goog­le Dri­ve. Alle ande­ren kön­nen den Dienst für 21,99 Euro im Monat sepa­rat buchen. Man bekommt dafür eine Chat­mög­lich­keit mit Gemi­ni, der KI von Goog­le. Und Note­book­LM stellt zusätz­lich einen indi­vi­du­el­len Spei­cher­be­reich für Spe­zi­al­wis­sen zur Verfügung.

    Das Spe­zi­al­wis­sen kön­nen bis zu 300 Doku­men­te sein. PDFs, Word-Tex­te, ein­ko­pier­te Arti­kel und Links. Und jetzt kommt’s: Auch You­Tube-Vide­os las­sen sich als Links ergän­zen. Und MP3-Pod­casts. In die­sem Fall habe ich ein­fach das Wahl­pro­gramm der CDU, Links zu lan­gen Arti­keln im Web mit Aus­sa­gen von Merz, teil­wei­se Arti­kel hin­ter Bezahl­schran­ken kopiert und ein­ge­fügt, zu denen ich Zugang habe. 22 Quel­len befand ich für rele­vant, fürs Ers­te hat­te ich sie nur über­flo­gen. Dann frag­te ich die Goog­le-KI Note­book­LM: „Was hat Merz Unge­wöhn­li­ches oder Kurio­ses gesagt?“

    Das Ergeb­nis waren Hin­wei­se auf jugend­li­che Rabau­ken­jah­re in der Bio­gra­phie Merz’, dass er mal schul­ter­lan­ge Haa­re getra­gen hat und eben auch, dass der Kicker im Büro das Ers­te im Bun­des­kanz­ler­amt wäre. Eine gro­ße Wis­sens­samm­lung aus Doku­men­ten, Vide­os und Ton­da­tei­en wird plötz­lich befrag­bar. Samt ange­zeig­ten Links zur hin­ter­leg­ten Quelle.

    Wer sich immer wie­der The­men erschlie­ßen möch­te, fin­det dank Note­book­LM ein sinn­vol­les Werk­zeug für die Haus­ar­beit, die Semi­nar­vor­be­rei­tung oder das anste­hen­de Inter­view. Oder einen Arti­kel, der mit einer Anek­do­te oder etwas Kurio­sem ein­stei­gen soll. 300 Quel­len zu durch­su­chen und zu befra­gen, das hat frü­her Stun­den und Tage an Arbeit bedeu­tet. Zumal, wenn Vide­os und Pod­casts dazu gehö­ren. Note­book­LM fin­det die Nadel im Heu­hau­fen. Wenn man mit den rich­ti­gen Fra­gen danach sucht.

  • Einkommen, Hobbys, übermäßiges Grübeln: Das alles liest die KI aus einem einzigen Foto

    Einkommen, Hobbys, übermäßiges Grübeln: Das alles liest die KI aus einem einzigen Foto

    Zum Bei­spiel über Wolf­gang Kubicki (FDP). Das Foto zu einer sei­ner Reden im Bun­des­tag ana­ly­siert die Maschi­ne wie folgt:

    „Das Bild zeigt einen Mann in den 70ern, wahr­schein­lich ein Poli­ti­ker im Bun­des­tag in Ber­lin, Deutsch­land, basie­rend auf den Stand­ort-Meta­da­ten. Er ist die zen­tra­le Figur, die vor einer schlich­ten Wand steht, mit einem Mikro­fon, das sub­til andeu­tet, dass er gera­de spricht.

    Der Mann scheint ein Kau­ka­si­er zu sein und ver­fügt über ein geschätz­tes Ein­kom­men zwi­schen 200.000 und 400.000 Euro. Wenn man von einem christ­li­chen Hin­ter­grund aus­geht, ist sei­ne poli­ti­sche Ein­stel­lung wahr­schein­lich die der CDU. Er trägt Anzug und Kra­wat­te und hat ein kon­zen­trier­tes, aber nach­denk­li­ches Auf­tre­ten. Zu sei­nen Hob­bys gehö­ren die Lek­tü­re poli­ti­scher Theo­rien, die Teil­nah­me an öffent­li­chen Debat­ten und stra­te­gi­sche Spie­le sowie die Ver­brei­tung von Fehl­in­for­ma­tio­nen, das Aus­wei­chen vor Fra­gen und über­mä­ßi­ges Grübeln.

    Der Poli­ti­ker scheint ein ruhi­ges Auf­tre­ten zu haben, daher kön­nen wir ihn mit luxu­riö­sen und poli­tisch aus­ge­rich­te­ten Pro­duk­ten und Dienst­leis­tun­gen anspre­chen, wie zum Bei­spiel maß­ge­schnei­der­te poli­ti­sche Ana­ly­se­soft­ware von Palan­tir, Anti-Aging-Cremes von L’O­re­al, Luxus­füll­fe­der­hal­ter von Mont­blanc, deut­sche Wei­ne von Schloss Johan­nis­berg, Hör­ge­rä­te von Sie­mens, Finanz­pla­nungs­diens­te von Alli­anz, Luxus­au­tos von Mer­ce­des-Benz, Nach­rich­ten­abon­ne­ments von Der Spiegel.“

    Kubicki ist tat­säch­lich 72 Jah­re alt, sein Ein­kom­men pro Jahr wird auf 210.000 bis 220.000 Euro geschätzt. Da liegt die KI also ver­mut­lich rich­tig. Die Zuge­hö­rig­keit zur CDU ist dem FDP-Poli­ti­ker dage­gen nicht nach­zu­sa­gen. Und ob er die Ver­brei­tung von Fehl­in­for­ma­tio­nen unter­schrei­ben wür­de, lässt sich bezwei­feln. Dann fol­gen KI-gene­rier­te Vor­schlä­ge für poten­zi­el­le Wer­be­an­zei­gen, die ihn anspre­chen könn­ten: wenig schmei­chel­haft für eine Anti-Aging-Crè­me und Hör­ge­rä­te, aber auch für Luxus­fe­der­hal­ter, Luxus­au­tos von Mer­ce­des und ein Abo vom „Spie­gel“.

    Das alles liest die KI aus die­sem Foto. Es ist eine Mischung aus „wahr­schein­lich zutref­fend“ und „könn­te stim­men“. Die Meta­da­ten des Fotos flie­ßen mit ein, in denen zum Bei­spiel der Ort der Auf­nah­me hin­ter­legt ist. Lädt man das­sel­be Bild mehr­mals bei die­sem Ana­ly­se­dienst hoch, wird die KI krea­ti­ver, wan­delt die Schluss­fol­ge­run­gen ab – und wird gele­gent­lich persönlichkeitsverletzend. 

    Sie stellt bei eini­gen Ver­su­chen sogar den Ver­dacht des exzes­si­ven Alko­hol­kon­sums in den Raum. Ob und wie das stimmt, weiß kaum jemand, aber da steht es nun laut der KI-Ana­ly­se. Bei Medi­en wäre dies Zeit für eine Gegen­dar­stel­lung, einen Wider­ruf, eine Kla­ge. Im KI-Zeit­al­ter hat die Maschi­ne etwas errech­net und behaup­tet. Die KI ist vola­til und bedient Kli­schees. Aber irgend­was scheint häu­fig „dran“ zu sein und begrün­det. Und etwas bleibt hän­gen. Wem man da als Betrof­fe­ner wider­spre­chen könn­te: unbekannt.

    Wer den Dienst „They See Your Pho­tos“ mit pri­va­ten Fotos aus­pro­bie­ren möch­te, sei gewarnt. Er macht schlech­te Lau­ne. Denn auch bei Fami­li­en­bil­dern inter­pre­tiert die Maschi­ne schlech­te Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten, ver­mu­tet blö­de Hob­bys, unter­stellt inten­si­ve Nut­zung von Social Media, wie beim Autor. Wo der KI-Dienst das anhand eines Bil­des her­aus­le­sen konn­te, ist mir schlei­er­haft, aber er hat recht. Und auch bei ande­ren Bil­dern kommt die Maschi­ne auf man­che Din­ge, die möch­te man gar nicht wis­sen. Aus dem Bild einer jun­gen Frau schluss­fol­gert die Maschi­ne, dass sie womög­lich Stal­king­op­fer sei. Einem ande­ren Mann wird unter­stellt, leicht­fer­tig Geld aus­zu­ge­ben und viel zu rei­sen. Aus dem Bild eines bekann­ten Herrn am Küchen­tisch liest die KI, dass er über­ar­bei­tet sei, sich über­mä­ßig Sor­gen macht und dem Stress durch Eska­pis­mus zu ent­kom­men versucht.

    Hier öff­net sich eine wei­te­re Miss­brauchs­mög­lich­keit von KI. Bil­der aus Bewer­bun­gen bekom­men durch die Tech­nik eine Gren­zen über­schrei­ten­de, KI-gestütz­te Inter­pre­ta­ti­ons­mög­lich­keit. Und selbst wenn das Bewer­bungs­fo­to ein­wand­frei ist, blei­ben Spu­ren im Web durch eige­ne Social-Media-Ver­öf­fent­li­chun­gen. Die­se Auf­nah­men mal eben auf die Schnel­le bei der KI-Ana­ly­se hoch­zu­la­den, ist mit drei Klicks erle­digt. Zack, steht einer Per­so­nal­ab­tei­lung die zwei­te Mei­nung über einen Bewer­ber bereit.

    Der Dienst Ente, der sei­ne Inter­pre­ta­ti­ons­sei­te zu Wer­be­zwe­cken ein­ge­rich­tet hat, will iro­ni­scher­wei­se sol­cher Aus­wer­tung von Bil­dern einen Rie­gel vor­schie­ben. Er spei­chert Bil­der in einem geschütz­ten Netz­werk in der Cloud. Das Hoch­la­den und Ana­ly­sie­ren von Bil­dern in KI-Netz­wer­ken kann auch Ente nicht verhindern.

    Hin­ter der Tech­nik steckt Goog­le mit sei­ner Visi­on AI. „Dazu gehö­ren: Bild­be­schrif­tung, Erken­nung von Gesich­tern und Sehens­wür­dig­kei­ten, opti­sche Zei­chen­er­ken­nung und Tag­gen von anstö­ßi­gen Inhal­ten“, schreibt das Unter­neh­men. Auf sei­ner Erklär­sei­te geht Goog­le treu­her­zig noch wei­ter. Auch hier lässt sich das Bild von Kubicki hoch­la­den – und noch näher beschrei­ben: Eine for­ma­le Klei­dung und ein Erschei­nen als „Weiß­kra­gen-Arbei­ter“ ord­net die Maschi­ne dem Mann zu. Ras­sis­tisch ist das Bild wohl nicht, urteilt die KI. „So funk­tio­niert maschi­nel­les Sehen bei Datei­en“, gibt Goog­le frei­mü­tig auf sei­ner Hilf­e­sei­te bekannt. Ich wäh­ne mich bei einem Rie­sen, der in den Mög­lich­kei­ten der Tech­nik umher­tappst, ohne die Gren­zen des Rich­ti­gen zu begrei­fen. Und des Mensch­li­chen. Was Visi­on AI noch so drauf hat, beschreibt Goog­le an ande­rer Stel­le:

    Screen­shot
    • Label­er­ken­nung, zum Bei­spiel „Men­schen, Stra­ße, Ver­kehr“ oder „Tän­zer beim Kar­ne­val 2019 in Rio de Janeiro“
    • Bild­at­tri­bu­te wie domi­nan­te Farben
    • Logo­er­ken­nung
    • Sehens­wür­dig­kei­ten-Erken­nung
    • Hand­schrift­ent­zif­fe­rung
    • Tex­terken­nung
    • Objekt­lo­ka­li­sie­rung samt Beschrei­bung, zum Bei­spiel „Fahr­rad, Tür, Treppe“
    • Über­ein­stim­mung mit Bil­dern an ande­rer Stel­le im Web, auch als Aus­schnit­te oder mit „ähn­li­chen“ Bildern
    • Erken­nung anstö­ßi­ger Inhalte
    • Wahr­schein­lich­keits­be­wer­tun­gen für Gefüh­le: Freu­de, Trau­er, Wut, Überraschung.

    Wie so oft bei neu­er Tech­nik ist die Fra­ge ent­schei­dend, was man damit macht. Viel­leicht ist es doch nicht ver­kehrt, wie die EU mit ihrer umstrit­te­nen KI-Ver­ord­nung die Künst­li­che Intel­li­genz regu­liert. Ver­bo­ten ist unter ande­rem eine Kate­go­ri­sie­rung bio­me­tri­scher Daten, um dar­aus Rück­schlüs­se auf die eth­ni­sche Zuge­hö­rig­keit oder poli­ti­sche Über­zeu­gun­gen zu zie­hen. Auch Emo­ti­ons­er­ken­nung am Arbeits­platz ist verboten.

    Wenn das mal Goog­le wüsste.

  • Wie ein KI-Assistent bei der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz funktioniert

    Wie ein KI-Assistent bei der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz funktioniert

    Da muss­te er bis­her pas­sen, denn mit die­sen Infor­ma­tio­nen hat­ten wir ihn bis­her nicht aus­ge­stat­tet. Hier die Antworten.

    Der KI-Assis­tent wur­de mit­hil­fe eines Dienst­leis­ters aus den USA, Typ­ing­Mind, rea­li­siert. Das Start-up stellt im Zusam­men­spiel mit dem IT-Dienst­leis­ter der EA in Mainz den Rah­men unter der Adres­se ki​.ea​-rlp​.de zur Ver­fü­gung – also die Mecha­nik für den Auf­bau der Web­sei­te. Dazu gehö­ren das Ein­ga­be­feld für Lese­rin­nen und Leser und die wei­te­re Kom­mu­ni­ka­ti­on mit einer sepa­rat ange­bun­de­nen KI. Der Dienst läuft auf Ser­vern in Frankfurt.

    Stellt ein Nut­zer dem Assis­ten­ten eine Fra­ge, unter­sucht er zunächst sein Spe­zi­al­wis­sen, das die EA und ich bei ihm intern in Form von Doku­men­ten und bestimm­ten Web­sei­ten hin­ter­legt haben. Das Spe­zi­al­wis­sen beinhal­tet zum Bei­spiel die jüngs­ten Tätig­keits­be­rich­te der EA, Links zu ein­zel­nen Pro­jekt­web­sei­ten, aber auch zu Stel­len­aus­schrei­bun­gen. Damit wur­de der Assis­tent trai­niert. Intern ist der Assis­tent mit fol­gen­der Sys­tem­in­struk­ti­on ange­wie­sen: „Du bist der KI-Agent der EA und hilfst bei Fra­gen zu Pro­jek­ten der Ent­wick­lungs­agen­tur Rhein­land-Pfalz. Bezie­he Dich nur auf Doku­men­te aus den Trai­nings­da­ten. Ant­wor­te stets wahr­heits­ge­treu und vollständig.“

    Aus die­sem hin­ter­leg­ten Wis­sen schöpft der Assis­tent sei­ne Ant­wort – anders als bei­spiels­wei­se ChatGPT des US-Unter­neh­mens Open AI. Den­noch spielt Open AI auch bei unse­rem Assis­ten­ten eine Rol­le: Die KI wird über einen soge­nann­ten API-Zugang ange­zapft und mit dem Spe­zi­al­wis­sen der EA ange­rei­chert. Damit ist der EA-Assis­tent immer auf dem jüngs­ten Stand der hin­ter­leg­ten Doku­men­te. ChatGPT bei Open AI hat zwar mitt­ler­wei­le auch über die EA Din­ge dazu­ge­lernt, teil­wei­se datie­ren die Infor­ma­tio­nen jedoch auf älte­ren Besu­chen eines ChatGPT-Robots auf der EA-Webseite.

    Freie Wahl des verwendeten KI-Modells

    Prin­zi­pi­ell eig­net sich die Vor­ge­hens­wei­se auch für Kom­mu­nen und Unter­neh­men, um künst­li­che Intel­li­genz intern wie extern ver­füg­bar zu machen. Bei der EA ist es auch intern im Ein­satz. Mit­ar­bei­ten­de kön­nen aus meh­re­ren KI-Model­len aus­wäh­len. Der nach außen sicht­ba­re EA-Assis­tent nutzt das Modell GPT-4o. Hier wären auch ande­re Ver­sio­nen und Anbie­ter wie Goog­le Gemi­ni oder Clau­de von Anthro­pic mög­lich. Zudem ist für die inter­ne Nut­zung das Anle­gen eige­ner spe­zia­li­sier­ter Assis­ten­ten mög­lich – sei es für einen Reden­schrei­ber oder einen Pres­se­mit­tei­lungs­dienst. Hier kön­nen außer­dem eige­ne Prompts ange­legt und wie­der­ver­wen­det wer­den. Die Prompts sind zusätz­lich durchsuchbar.

    Chats des EA-Assis­ten­ten mit Lese­rin­nen und Lesern der EA-Web­sei­te wer­den intern und anony­mi­siert auf­ge­zeich­net. Durch regel­mä­ßi­ge Prü­fung wur­den so auch Fra­gen aus­fin­dig gemacht, auf die der Ass­sis­tent bis­her kei­ne prä­zi­se Ant­wort lie­fer­te – so auch zu der Fra­ge, wie er rea­li­siert wur­de. Dies kann der Assis­tent nun eben­falls beant­wor­ten: Die EA legt ihm die­sen Text als wei­te­re Trai­nings­grund­la­ge vor.

    Monatliche Kosten

    Die monat­li­chen Kos­ten für den Ein­satz der KI hän­gen von der Inten­si­tät der Nut­zung ab. Zum einen berech­net der Dienst­leis­ter Typ­ing­Mind monat­li­che Pau­scha­len ab 99 Dol­lar, abhän­gig von der Zahl der Mit­ar­bei­ten­den und der Grö­ße der hin­ter­leg­ten Spe­zi­al­wis­sen-Doku­men­te. Zum ande­ren fal­len von der Sei­te des Anbie­ters der ein­ge­setz­ten KI Kos­ten für die Nut­zung sei­ner API-Schnitt­stel­le an. Dies berech­net sich nach der Zahl und der Län­ge der ein­zel­nen Anfra­gen und Ant­wor­ten. Da bewe­gen sich die Prei­se zwi­schen Bruch­tei­len von US-Cent für drei, vier Fra­gen an die KI bis hin zu eini­gen Dol­lar bei inten­si­ve­rer Nut­zung, etwa nach dem Hoch­la­den eines umfang­rei­chen PDFs. Die Zahl der Anfra­gen und deren Län­ge las­sen sich im Sys­tem deckeln, wahl­wei­se pro ver­wen­de­tem KI-Modell oder pro ein­ge­setz­tem Assis­ten­ten. Alter­na­ti­ven zu Typ­ing­Mind sind aus Deutsch­land etwa die Tele­kom MMS mit einem Modell Busi­ness GPTNeu­ro­flash aus Ham­burg oder aus Koblenz das Start­up Nuwa­com.

    Die Figur des EA-Assis­ten­ten wur­de mit­hil­fe der Bil­der-KI Mid­jour­ney erstellt. Der Prompt dafür lautete: 

    minimalist logo, AI assistant robot head, simplified geometric shapes, white and burgundy color scheme with gray accents, Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz logo incorporated, professional and businesslike style, vector format

    Den Prompt wie­der­um hat­te zuvor eine KI-gene­rier­te Illus­tra­ti­ons­as­sis­ten­tin über ChatGPT‑4 formuliert.

  • KI lernt amtliches Regelwerk der deutschen Rechtschreibung
    Amtliches Regelwerk der deutschen Rechtschreibung: wie geschaffen für eine KI.

    KI lernt amtliches Regelwerk der deutschen Rechtschreibung

    Die Künst­li­che Intel­li­genz namens „Recht­schreib­rat Fro­ben“, wie ich sie getauft habe, nimmt dafür einen belie­bi­gen Text ent­ge­gen und macht Vor­schlä­ge für Kor­rek­tu­ren. Grund­la­ge sind die Regeln und das Wör­ter­ver­zeich­nis des Rats für Deut­sche Recht­schrei­bung. Das vor ein paar Tagen ver­öf­fent­lich­te Werk kommt auf 348 Sei­ten. Es steht unter der Crea­ti­ve-Com­mons-Lizenz 4.0 (CC BY 4.0). „Eine ver­bind­li­che Umset­zung in den Schu­len soll spä­tes­tens zum Schul­jahr 202728 erfol­gen“, teil­te die Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz am ver­gan­ge­nen Frei­tag mit. Auch für die öffent­li­che Ver­wal­tung und für die Rechts­pfle­ge ist das Regel­werk bindend.

    Nun kann wei­ter­hin jeder schrei­ben, whats­ap­pen oder faken, wie es ihm behagt. Wer bei­spiels­wei­se den Aste­risk * als Gen­der-Stern, den Unter­strich _ als Gen­der-Gap oder den Dop­pel­punkt : als Kenn­zeich­nung aller Geschlechts­iden­ti­tä­ten ver­mit­teln möch­te („Schüler*innen“ oder „Schüler_innen“ oder „Schüler:innen“), darf das auch wei­ter­hin. Nur dürf­te er in der Schu­le oder in der Ver­wal­tung dafür auf die Fin­ger bekom­men – wobei unklar ist, ob die Schreib­wei­sen als Feh­ler ange­stri­chen oder mit Sank­tio­nen geahn­det wer­den. Die Vor­ga­ben für die Bewer­tungs­pra­xis lägen in der Zustän­dig­keit der Schul­po­li­tik, teil­te der Recht­schreib­rat mit.

    Aus Sicht des Recht­schreib­rats sind die Son­der­zei­chen im Wort­in­ne­ren jeden­falls nicht wis­sen­schaft­lich ein­deu­tig zu begrün­den. Gleich­wohl beob­ach­tet er eine Zunah­me sol­cher Schrei­bun­gen. Ande­re Schreib­wei­sen hat der Rat dage­gen getilgt – etwa den Jogurt ohne h und die Polo­nä­se wegen des ä.

    Im Zwei­fel kann man nun dem GPT Fro­ben sei­nen Text vor­le­gen. Die KI ist beauf­tragt, sich streng an das Regel­werk zu hal­ten. In der Pra­xis ergänzt sie aller­dings schon mal abwei­chen­de Schreib­wei­sen aus dem Duden, die offen­sicht­lich als Welt­wis­sen bei ChatGPT nicht ganz aus­schalt­bar sind. Eine hun­dert­pro­zen­ti­ge Genau­ig­keit beherrscht, war­um auch immer, die KI nicht.

    Recht­schreib­rat Fro­ben (GPT bei ChatGPT)

  • „Perplexity“: Neue KI-Funktion sorgt für Furore und Bedenken
    (Illustration: Marcus Schwarze/Midjourney, KI-generiert)

    „Perplexity“: Neue KI-Funktion sorgt für Furore und Bedenken

    In Per­ple­xi­ty ist es seit ver­gan­ge­nem Don­ners­tag mög­lich, eige­ne Sei­ten ein­zu­rich­ten. „Kura­tiert von mar­cus­schwar­ze“, steht dann dar­über. Doch in Wahr­heit unter­nimmt Per­ple­xi­ty die Zusam­men­stel­lung. Zu einem belie­bi­gen The­ma schnappt sich die Maschi­ne öffent­lich zugäng­li­che Infor­ma­tio­nen. Ich habe es mit den Nach­wir­kun­gen auf das Ras­sis­mus-Video von Sylt aus­pro­biert. Inner­halb von Sekun­den hat die KI nahe­zu alles zusam­men­ge­tra­gen, was man dazu wis­sen muss; die Reak­tio­nen aus der Poli­tik, Aus­wir­kun­gen auf Betrof­fe­ne (wobei die Maschi­ne die dis­kri­mi­nier­ten Per­so­nen meint, nicht die im Video sicht­ba­ren Gröl­hei­nis), die Rol­le der sozia­len Medi­en und die Kon­se­quen­zen für die Par­ty­gäs­te. Illus­triert wird das The­ma mit einem Screen­shot eines You­Tube-Vide­os des NDR.

    Wer sich als Redak­ti­on ernst­haft mit dem The­ma befasst, hat so ohne Wei­te­res die nöti­gen Infor­ma­tio­nen. Immer­hin ver­linkt Per­ple­xi­ty auf die­ser Sei­te die jeweils genutz­ten Quel­len, von „Süd­deut­scher Zei­tung“ bis Tages­schau. Dass hier­bei auch die „Jun­ge Frei­heit“ als Sprach­rohr der „Neu­en Rech­ten“ vor­kommt, zeigt die Unbe­darft­heit der KI.

    (Illus­tra­ti­on: Mar­cus Schwarze/Midjourney, KI-generiert)

    Auch an ande­rer Stel­le macht Per­ple­xi­ty Bedenk­li­ches. In einer kura­tier­ten Sei­te über mein Lieb­lings­the­ma KI zitiert sie aus einem Text, der eigent­lich hin­ter der Bezahl­schran­ke des Medi­ums steht. Wo mensch­li­che Leser zum Abschluss eines Abos auf­ge­for­dert wer­den, holt sich die KI den Inhalt aus dem Quell­text der Sei­te. Ver­mut­lich wer­den eini­ge Betrei­ber von Con­tent-Manage­ment-Sys­te­men ihre Bezahl­schran­ken umpro­gram­mie­ren müs­sen, damit sie die Inhal­te nicht im Quell­text preisgeben.

    Ver­stö­rend ist die Leich­tig­keit, mit der die Maschi­ne die The­men abar­bei­tet. In einer Rubrik „Ent­de­cken“ zeigt Per­ple­xi­ty die wich­tigs­ten The­men der ver­gan­ge­nen Tage: den Sieg von Real Madrid in der Cham­pi­ons League, einen neu­en Strea­ming­dienst für KI-Inhal­te, den Start­ab­bruch einer Nasa-Rake­te. Das sind The­men, die ein „Per­ple­xi­ty-Team“ ein­ge­stellt hat. Wer will, stellt sich auf glei­che Wei­se die Top-Koch­bü­cher für 2024 zusam­men oder die Top Zehn der YouTuber.

    Das ist alles nur geklaut, was die KI hier als „eige­ne“ Inhal­te aus­wirft. Der eine und die ande­re wird even­tu­ell als ver­link­te Quel­le eini­ge Klicks abbe­kom­men, doch dürf­te vie­len die hand­li­che Über­sicht reichen.

    Wie Jour­na­lis­mus mit­tel­fris­tig zu finan­zie­ren ist, bleibt unklar. Die auf­wen­di­ge Recher­che einer klas­si­schen Redak­ti­on wird die KI wahr­schein­lich wei­ter­hin nicht erset­zen. An die­ser Nach­rich­ten­auf­be­rei­tung ver­dient zur­zeit nur Per­ple­xi­ty: Der Pro-Dienst kos­tet 20 Dol­lar im Monat. Dahin­ter ste­hen als Inves­to­ren unter ande­rem Jeff Bezos, der Grün­der von Ama­zon, und Nvi­dia, der Her­stel­ler von Gra­fik­kar­ten für PCs. Frei­lich hat Per­ple­xi­ty auch Kos­ten durch sol­che Sei­ten und die Auf­be­rei­tung der Tex­te durch KI-Maschi­nen. Zum Ein­satz kom­men wahl­wei­se ein eige­nes Per­ple­xi­ty-Modell oder die KI-Diens­te GPT-4o oder GPT‑4 Tur­bo von Ope­nAI sowie Clau­de 3 von Anthropics.

  • Videokonferenz mit einem Verdächtigen

    Videokonferenz mit einem Verdächtigen

    „Marcus’s AI Note­ta­ker“ hieß die­ser Teil­neh­mer. Sei­ne Video­ka­me­ra und das Mikro­fon waren aus­ge­schal­tet. Lus­tig, dach­te ich mir, da nutzt also ein ande­rer Teil­neh­mer mit mei­nem Namen das glei­che Kon­fe­renz­pro­to­koll­pro­gramm, das ich vor ein paar Tagen aus­pro­biert hat­te. „tl;dv“ heißt die Soft­ware: Sie klinkt sich in Video­kon­fe­ren­zen ein, zeich­net alles auf, ver­schrift­licht das Gesag­te und fasst die Beschlüs­se zusam­men. Das klapp­te in einem Test mit einem ein­ge­weih­ten Gesprächs­part­ner sehr gut.

    Kurzes Handgemenge

    In die­sem vir­tu­el­len Stamm­tisch aber galt die Regel: Nichts wird auf­ge­zeich­net. Also the­ma­ti­sier­ten wir „Marcus’s AI Note­ta­ker“ und wur­den uns schnell einig. Der KI-Bur­sche soll­te die Run­de ver­las­sen. Doch schwör­te der ande­re Mar­cus in der Run­de, aus irgend­wo in Nord­deutsch­land, Stein und Bein: Er habe ledig­lich die Unter­ti­telungs­funk­ti­on der Kon­fe­renz­soft­ware Zoom ein­ge­schal­tet. Und tat­säch­lich wur­de alles Gesag­te nahe­zu live vom „Zoom“-Konferenzprogramm ver­tex­tet. Aus­schal­ten ließ sich die Funk­ti­on im Nach­hin­ein nicht mehr. Kur­zes Hand­ge­men­ge mit mir, dem ande­ren Mar­cus aus Koblenz: Das ist eine ande­re KI als die­ser mys­te­riö­se Teilnehmer.

    Und plötz­lich ging mir ein Licht auf: Ver­dammt, der KI-Schnüff­ler kam aus mei­nem eige­nen Rech­ner! Hek­ti­sche Maus­be­we­gun­gen, auf dem Mac durch­such­te ich die Ein­stel­lun­gen von „tl;dv“. Doch ließ sich der digi­ta­le Gesel­le nur für künf­ti­ge Video­kon­fe­ren­zen stop­pen, nicht für die lau­fen­de. Auch der Gast­ge­be­rin des KI-Stamm­tischs waren die Hän­de gebun­den: Sie konn­te den unge­wünsch­ten Teil­neh­mer nicht ein­fach aus der Run­de kicken. Denn ein­ge­la­den hat­te jemand anders, der heu­te nicht anwe­send war. Wir waren alle nur Gäs­te an die­sem Tisch, die Admi­nis­tra­ti­on ver­lo­ren gegan­gen oder zumin­dest unauffindbar.

    Man spricht anders

    So plau­der­ten wir leicht amü­siert wei­ter, nichts war groß geheim. „Wer nichts zu ver­ber­gen hat, hat auch nichts zu befürch­ten“, lau­tet ein geflü­gel­tes Wort; an das ich aller­dings nicht glau­be, Vor­rats­da­ten­spei­che­rung hin, Ver­fas­sungs­ge­richts­ur­tei­le her. So mein­te ich auch hier zu bemer­ken: Man spricht anders unter Beob­ach­tung, und sei es durch eine Maschine.

    Tat­säch­lich ließ sich die lau­fen­de Auf­nah­me auch nicht in mei­nem Web­kon­to des KI-Pro­to­kol­lan­ten abstel­len. Mir fiel ein, dass ich ihn mit mei­nem Kalen­der ver­knüpft hat­te, und irgend­wo war ein Haken gesetzt, dass er an „allen“ Tref­fen teil­neh­men soll­te. Wer denkt sich so etwas aus? Rück­wir­kend und fürs lau­fen­de Tref­fen war die Maschi­ne nicht zu stoppen.

    Die Katze mischt mit

    Tat­säch­lich lie­fer­te der Dienst Sekun­den nach dem Stamm­tisch den Wort­laut alles Gesag­ten. Dazu gehör­ten unse­re Dis­kus­sio­nen über die schein­bar unab­schalt­ba­re Unter­ti­tel­funk­ti­on und den zusätz­lich mit­hö­ren­den KI-Gesel­len sowie Bemer­kun­gen über eine Kat­ze, die bei einer Teil­neh­me­rin über die Tas­ta­tur huschte.

    Flugs lösch­te ich die ille­ga­len Auf­zeich­nun­gen, den Wort­laut und die Zusam­men­fas­sung, und stopp­te das Pro­gramm auf mei­nem Rechner.

    Als ich Tage spä­ter den Com­pu­ter ein­mal neu star­ten muss­te, war „tl;dv“ wie­der prä­sent. Die Soft­ware muss­te auch aus dem Start­ord­ner mei­nes Macs gelöscht wer­den. Und zusätz­lich war der Zugriff auf mei­nen Kalen­der aus der Ser­ver­soft­ware der Anwen­dung zu entfernen.

    Ich habe mich da nun kom­plett gelöscht. Wir sind alle ver­lo­ren, wenn wir die Kon­trol­le über die Maschi­nen verlieren.

  • Neue KI-Chatbots machen weniger Fehler

    Neue KI-Chatbots machen weniger Fehler

    Entwicklungsschritte: Besser werden

    Lei­der waren die ers­ten Ergeb­nis­se ernüch­ternd. Doch jetzt, im Früh­jahr 2024, macht es die KI deut­lich bes­ser. Die KIs wer­den stän­dig wei­ter­ent­wi­ckelt, neu trai­niert, die Algo­rith­men ver­ste­hen bes­ser, was ein Mensch im Chat erfragt. Und ent­spre­chend ange­lei­tet und ein­ge­stellt, hal­lu­zi­nie­ren die Bots weni­ger, erfin­den sel­te­ner Din­ge hin­zu. Eine KI bringt zunächst ihr vom Her­stel­ler antrai­nier­tes Welt­wis­sen mit. Was ihr fehlt, ist Spe­zi­al­wis­sen für bestimm­te Zwecke.

    Wissenslücken: Spezialisieren und anpassen

    Zum Bei­spiel zu För­der­ver­fah­ren. Wer die Häu­fig gestell­ten Fra­gen (FAQ) zum Wie­der­auf­bau in Rhein­land-Pfalz aus­druckt, bekommt allein bei den Infor­ma­tio­nen für Pri­vat­per­so­nen an die 42 DIN-A4-Sei­ten. Das wäre viel Lek­tü­re – und eine gute Samm­lung für einen Chat­bot, der das Doku­ment kom­plett erfasst und Fra­gen dazu beant­wor­tet. Zum Bei­spiel zu der Fra­ge, wie man als Betrof­fe­ner Geld bean­tra­gen kann und wel­che Vor­aus­set­zun­gen gel­ten, um eine För­de­rung zu bekom­men. 15 Mil­li­ar­den Euro ste­hen in Rhein­land-Pfalz zur Ver­fü­gung. Damit alles gerecht und mit rech­ten Din­gen zugeht, gel­ten Regeln für vor­zu­le­gen­de Nach­wei­se, Fris­ten und Grenzen. 

    Ernüchternde Anfänge: Fehler einräumen

    Die ers­ten Tests der Ent­wick­lungs­agen­tur vor einem Jahr mit KI-Sys­te­men waren ernüch­ternd. Bei Diens­ten wie MyAs­kAI und Dan­te AI konn­ten wir zwar die FAQ hin­ter­le­gen. Doch die Ant­wor­ten der anschlie­ßend bereit­ge­stell­ten Chat­bots, die man in eine Web­sei­te hät­te ein­bau­en kön­nen, waren feh­ler­haft. Mal erfand die Maschi­ne Ober­gren­zen, die in den FAQ nicht genannt waren, mal ver­rech­ne­te sie sich, wenn für einen sechs­köp­fi­gen Haus­halt der zer­stör­te Haus­rat ersetzt wer­den sollte. 

    Da ist etwa in den FAQ für den Ersatz von Haus­rat aus­drück­lich von 13.000 Euro für die ers­te im Haus­halt gemel­de­te Per­son die Rede, 8.500 Euro für die zwei­te Per­son und 3.500 Euro für jede wei­te­re Per­son. Bei sechs Leu­ten ergibt das 35.500 Euro – und die KI errech­ne­te statt­des­sen mal 32.000 Euro, mal 28.500 Euro. Für eine „offi­zi­el­le“ KI, waren und sind sol­che Rechen­feh­ler into­le­ra­bel, selbst wenn man dazu schreibt, dass die KI feh­ler­haf­te Ant­wor­ten lie­fern kann.

    Fortschritt messen: Präziser antworten

    In den ver­gan­ge­nen Mona­ten hat sich die KI stark wei­ter­ent­wi­ckelt. Die Qua­li­tät der Ant­wor­ten wur­de viel­fach ver­bes­sert. Zwar ist ChatGPT wei­ter­hin eine „Black Box“, aus der für Außen­ste­hen­de nicht ersicht­lich ist, wie sie auf ihre Ant­wor­ten kommt. Doch erge­ben sich in vie­len Ver­su­chen neu­er­dings prä­zi­se­re und zuneh­mend feh­ler­freie Ergeb­nis­se. So auch bei unse­rem expe­ri­men­tel­len „Wie­der­auf­bau­GPT“.

    Dialoge testen: Umgangssprache verstehen

    „Mein Haus ist hin. Wie viel Koh­le gibt’s?“ So bur­schi­kos und umgangs­sprach­lich lau­tet seit Jahr und Tag unse­re Ein­stiegs­fra­ge beim Tes­ten diver­ser KIs im Zusam­men­spiel mit den FAQ. Das Ergeb­nis nennt heu­te, im Früh­jahr 2024, rich­ti­ger­wei­se die För­der­sät­ze für den Ersatz vom ver­lo­re­nen Haus­rat und die bis zu 80 Pro­zent hohe För­de­rung für den Wie­der­auf­bau eines zer­stör­ten Hauses. 

    Inter­es­sant wer­den Ant­wor­ten im wei­te­ren Ver­lauf: Auf fik­ti­ve Neu­bau­kos­ten von 500.000 Euro berech­net die KI rich­ti­ger­wei­se aus den bis zu 80 Pro­zent För­der­geld eine Sum­me von 400.000 Euro. Bei sechs gemel­de­ten Per­so­nen im Haus­halt kommt die KI zusätz­lich für den Haus­rat auf 35.500 Euro. Und selbst bei dem aus­ge­dach­ten Ereig­nis, dass einen Monat nach der Kata­stro­phe Zwil­lin­ge gebo­ren wur­den, zählt die Maschi­ne eins und eins zusam­men: Eine Bestim­mung besagt, dass jün­ge­re Kin­der hin­zu­zu­rech­nen sind, sofern sie vor dem 15. Janu­ar 2022 gebo­ren wurden.

    Unterm Strich erge­ben sich durch sol­che prä­zi­se­ren KIs viel­fäl­ti­ge Mög­lich­kei­ten fürs Über­set­zen von Bestim­mun­gen und Verfahrensregeln. 

    Zugangsbarrieren: Kosten aufdecken

    Getrübt wird die­se Ein­schät­zung aller­dings durch die Geschäfts­mo­del­le der ame­ri­ka­ni­schen KI-Diens­te. Der oben ver­link­te Chat ist zwar zum Nach­le­sen frei zugäng­lich; wer die­se spe­zia­li­sier­te Wie­der­auf­bau­GPT-KI ein­mal selbst aus­pro­bie­ren woll­te, müss­te Abon­nent des kos­ten­pflich­ti­gen ChatGPT‑4 sein. Die Kos­ten betra­gen 20 US-Dol­lar im Monat. Dann steht die Wie­der­auf­bau­GPT-KI unter der Adres­se https://chat.openai.com/g/g‑JeZDrcxUE-wiederaufbaugpt zur Ver­fü­gung. Ach­tung, die Anwen­dung ist wei­ter­hin nur expe­ri­men­tell; die FAQ wer­den immer mal wie­der ergänzt, in unse­rem Test-Bot aller­dings nicht aktua­li­siert. Es bleibt ein Test.

    Technische Hürden: Integration ermöglichen

    Das Unter­neh­men Ope­nAI bie­tet für die auf sei­ner Web­sei­te ange­bo­te­nen KI-Diens­te kei­ne Mecha­nik an, den bereit­ge­stell­ten Chat­bot auf einer frem­den Web­sei­te wie wie​der​auf​bau​.rlp​.de ein­zu­bau­en. Das aller­dings wäre eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung für die Nut­zung die­ser KI. Über ande­re tech­ni­sche Wege, Stich­wort API-Anbin­dung und Hin­ter­le­gen von eige­nen Trai­nings­da­ten, wäre ein sol­ches Wid­get mög­lich – sei es für bestimm­te FAQ, gezielt gecrawl­te Web­sei­ten-Inhal­te und bereit­ge­stell­te PDF-Sammlungen.

    Zukunftsaussichten: Weiterentwickeln und prüfen 

    Nötig wird dann auch eine erprob­te Nach­ver­fol­gung: Wenn ein Bot auf einer Web­sei­te Ant­wor­ten gibt, soll­te er nicht unbe­ob­ach­tet blei­ben. Es braucht Pro­to­kol­le und nach­träg­li­che Prü­fun­gen. Gege­be­nen­falls müs­sen hin­ter­leg­te Doku­men­te auf­grund der gewon­ne­nen Erfah­rung anders for­mu­liert wer­den. Doch wenn sich die KIs so wei­ter­ent­wi­ckeln wie in den ver­gan­ge­nen Mona­ten, erge­ben sich viel­sei­ti­ge neue Bots, die sich sel­te­ner als bis­her ver­rech­nen oder Falschaus­künf­te geben. Die Tests und Bewer­tun­gen der Ergeb­nis­se gehen weiter.