Schlagwort: Rechtschreibung

  • KI lernt amtliches Regelwerk der deutschen Rechtschreibung
    Amtliches Regelwerk der deutschen Rechtschreibung: wie geschaffen für eine KI.

    KI lernt amtliches Regelwerk der deutschen Rechtschreibung

    Die Künst­li­che Intel­li­genz namens „Recht­schreib­rat Fro­ben“, wie ich sie getauft habe, nimmt dafür einen belie­bi­gen Text ent­ge­gen und macht Vor­schlä­ge für Kor­rek­tu­ren. Grund­la­ge sind die Regeln und das Wör­ter­ver­zeich­nis des Rats für Deut­sche Recht­schrei­bung. Das vor ein paar Tagen ver­öf­fent­lich­te Werk kommt auf 348 Sei­ten. Es steht unter der Crea­ti­ve-Com­mons-Lizenz 4.0 (CC BY 4.0). „Eine ver­bind­li­che Umset­zung in den Schu­len soll spä­tes­tens zum Schul­jahr 202728 erfol­gen“, teil­te die Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz am ver­gan­ge­nen Frei­tag mit. Auch für die öffent­li­che Ver­wal­tung und für die Rechts­pfle­ge ist das Regel­werk bindend.

    Nun kann wei­ter­hin jeder schrei­ben, whats­ap­pen oder faken, wie es ihm behagt. Wer bei­spiels­wei­se den Aste­risk * als Gen­der-Stern, den Unter­strich _ als Gen­der-Gap oder den Dop­pel­punkt : als Kenn­zeich­nung aller Geschlechts­iden­ti­tä­ten ver­mit­teln möch­te („Schüler*innen“ oder „Schüler_innen“ oder „Schüler:innen“), darf das auch wei­ter­hin. Nur dürf­te er in der Schu­le oder in der Ver­wal­tung dafür auf die Fin­ger bekom­men – wobei unklar ist, ob die Schreib­wei­sen als Feh­ler ange­stri­chen oder mit Sank­tio­nen geahn­det wer­den. Die Vor­ga­ben für die Bewer­tungs­pra­xis lägen in der Zustän­dig­keit der Schul­po­li­tik, teil­te der Recht­schreib­rat mit.

    Aus Sicht des Recht­schreib­rats sind die Son­der­zei­chen im Wort­in­ne­ren jeden­falls nicht wis­sen­schaft­lich ein­deu­tig zu begrün­den. Gleich­wohl beob­ach­tet er eine Zunah­me sol­cher Schrei­bun­gen. Ande­re Schreib­wei­sen hat der Rat dage­gen getilgt – etwa den Jogurt ohne h und die Polo­nä­se wegen des ä.

    Im Zwei­fel kann man nun dem GPT Fro­ben sei­nen Text vor­le­gen. Die KI ist beauf­tragt, sich streng an das Regel­werk zu hal­ten. In der Pra­xis ergänzt sie aller­dings schon mal abwei­chen­de Schreib­wei­sen aus dem Duden, die offen­sicht­lich als Welt­wis­sen bei ChatGPT nicht ganz aus­schalt­bar sind. Eine hun­dert­pro­zen­ti­ge Genau­ig­keit beherrscht, war­um auch immer, die KI nicht.

    Recht­schreib­rat Fro­ben (GPT bei ChatGPT)

  • Wolf-Schneider-KI redigiert journalistische Texte

    Wolf-Schneider-KI redigiert journalistische Texte

    Wer für Redak­tio­nen oder PR-Abtei­lun­gen arbei­tet, kennt das müh­sa­me Schrei­ben eines guten Tex­tes: Ein Kol­le­ge oder eine Kol­le­gin über­ar­bei­tet den Bei­trag, stellt Fra­gen zu unkla­ren For­mu­lie­run­gen und kor­ri­giert Recht­schrei­bung und Gram­ma­tik. Am Ende wird der Text von einer Che­fin vom Dienst (CvD) gele­sen. In Zukunft könn­ten die­se bei­den Rol­len weg­fal­len oder zumin­dest tech­ni­sche Unter­stüt­zung erhal­ten, denn die künst­li­che Intel­li­genz (KI) über­nimmt nun das Korrekturlesen.

    In mei­nem Fall ist das seit ein paar Mona­ten Wolf Schnei­der. Der im Novem­ber ver­stor­be­ne Aus­bil­der für gute Spra­che ist Namens­ge­ber der KI der Repor­ter­fa­brik in Ber­lin. Die Jour­na­lis­ten­schu­le hat sich die Namens­rech­te gesi­chert und in einem Team um Cordt Schnib­ben (ehe­mals Redak­teur beim „Spie­gel“) inner­halb der letz­ten fünf Mona­te die­se künst­li­che Intel­li­genz ent­wi­ckelt. Ich durf­te am lau­fen­den Beta­test der Maschi­ne teilnehmen.

    In den letz­ten Mona­ten hat die Wolf-Schnei­der-KI (WSKI) fast jeden mei­ner Tex­te über­ar­bei­tet, auch für die­sen News­let­ter. Ich habe mei­nen Text in ein Fens­ter kopiert und die WSKI hat den ver­bes­ser­ten Text im benach­bar­ten Fens­ter geschrie­ben. Das ist in Sekun­den erle­digt. Hier ein Bei­spiel eines Tex­tes, der nicht von mir stammt, der Pres­se­mit­tei­lung der Reporterfabrik:

    Jeder Text lässt sich ver­bes­sern, auch die Pres­se­mit­tei­lung der Repor­ter­fa­brik. Anschlie­ßend ergänzt die Maschi­ne eine Ana­ly­se. (Screen­shot: Schwarze)

    Die Schreib­re­geln von Schnei­der sind legen­där. Sie ver­bie­ten Füll­wör­ter und set­zen auf kur­ze Sät­ze. Schnei­der emp­fiehlt Ein-Sil­ben-Wör­ter. „Wir sind aus Ein­sil­bern: Hand und Fuß, Kopf und Blut.“ So sagt er es in einem Kurs der Repor­ter­fa­brik. Zwei­sil­bi­ge Wör­ter sind die zweit­bes­te Wahl. Kei­ne Schach­tel­sät­ze, son­dern vor allem Haupt­sät­ze. „Ein­ge­pferch­te Neben­sät­ze sind immer schlecht.“ Der Text soll­te laut vor­ge­le­sen gut ins Ohr gehen. „Wir schrei­ben immer für die Ohren.“

    Die WSKI hat vie­le die­ser Regeln über­nom­men. Schon bei den ers­ten Tests hat die Maschi­ne mei­ne Tex­te gekürzt und Pas­siv-Kon­struk­tio­nen in akti­ve Sät­ze umgewandelt.

    Ein Paradigmenwechsel, oder?

    Für Redak­tio­nen bedeu­tet die Sprach-KI einen Para­dig­men­wech­sel, oder wie Wolf Schnei­der sagen wür­de, einen Schwenk. Spra­che wird wie­der mehr zum Werkzeug.

    In der neu­es­ten Ver­si­on der KI erhält das Hand­werk des Jour­na­lis­mus zusätz­li­che Unter­stüt­zung durch eine aus­führ­li­che Text­ana­ly­se. Wolf Schnei­ders Nach­fah­re gibt Anre­gun­gen, was im Text noch ergänzt wer­den könn­te. Bei vie­len Sät­zen kön­nen alter­na­ti­ve For­mu­lie­run­gen ange­zeigt wer­den, und für jedes Wort kön­nen alter­na­ti­ve Wör­ter vor­ge­schla­gen wer­den. Nach­dem die Maschi­ne einen Text über­ar­bei­tet hat, kann man außer­dem abru­fen, wel­che Wolf-Schnei­der-Regel dahintersteckt.

    Die Wolf-Schnei­der-KI befin­det sich der­zeit noch in der Beta­pha­se. Die gemein­nüt­zi­ge Repor­ter­fa­brik bie­tet Test-Usern die Mög­lich­keit, das Tool kos­ten­los aus­zu­pro­bie­ren. Inter­es­sen­ten kön­nen per E‑Mail Zugang erhal­ten, indem sie sich an wski@correctiv.org wenden.

    Nach dem Beta­test wird die KI vor­aus­sicht­lich fünf Euro im Monat kos­ten, wie Schnib­ben in einem Gespräch ange­deu­tet hat.

    Fazit

    Mein Urteil über das Werk­zeug: Es ist aus dem All­tag des Tex­tens kaum mehr weg­zu­den­ken. Zu neun­zig Pro­zent sind die über­ar­bei­te­ten Sät­ze bes­ser als der Ursprung. Aber: Nicht bei allen redi­gier­ten Din­gen gehe ich mit. Da habe ich wei­ter­hin das letz­te Wort. Wenn etwa die Maschi­ne zu Beginn des Beta­tests aus den „Schü­le­rin­nen und Schü­lern“ die „Schüler*innen“ macht, wür­de ver­mut­lich auch der ech­te Wolf Schnei­der wider­spre­chen – und dar­aus schlicht „Schü­ler“ machen.

    Das wider­spricht wie­der­um mei­nem Sprach­emp­fin­den und im übri­gen auch den Regeln, die man­che Redak­ti­on sich selbst auf­er­legt hat. Ich bin gespannt, was die Maschi­ne aus dem vor­he­ri­gen, kur­siv gesetz­ten Absatz macht. Hier das Ergebnis.